Autoindustrie auf dem Holzweg

Immer größer, immer teurer, immer mehr PS: Dieser Trend bei Neuwagen wirkt nicht nur wegen der Umwelt aus der Zeit gefallen

Ein Autotransporter mit neuen Teslas. (Symbolbild: iStock/andreas160578)
Ein Autotransporter mit neuen Teslas. (Symbolbild: iStock/andreas160578)

 

Von Michael Lehner

 

Alle reden von der Klimakrise. Und davon, dass der Individualverkehr „sauberer“ werden muss. Zugleich haben in Deutschland zugelassene Neuwagen im Schnitt gut 160 Pferdestärken, Elektroautos noch deutlich mehr. Und jetzt häufen sich auch noch die Hinweise, dass die meisten Hersteller ihre kleinen, sparsamen und erschwinglichen Modelle aus dem Programm streichen wollen.

 

Der Trend wirkt nicht nur wegen der Umwelt aus der Zeit gefallen. Er passt auch nicht in eine Zeit, in der die Menschen wegen enormer Preissteigerungen jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Vor allem auch die Leute, die ohne Auto nicht zur Arbeit und zum Einkaufen oder zur Arztpraxis kommen. Und deren Steuern fest eingeplant sind - auch für besseren Nahverkehr in Ballungsräumen und die fürstlichen Staatszuschüsse für sündteure Elektroautos.

 

In der Not werden Billig-Anbieter gesucht

 

Steht ein Neuwagenkauf an, sind 50.000 Euro längst nicht mehr die Schallmauer, schon gar nicht für Familienkutschen. So treibt die Branche ihre Kunden in die Verkaufsräume der wenigen verbliebenen Billiganbieter, die im ehemaligen Ostblock oder in Nordafrika produzieren. Auf Sicht kostet das Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Verluste an Lebensqualität in strukturschwachen Regionen. Dort werden die Wege zur Arbeit noch weiter, die Umwelt-Katze beißt sich in den Schwanz.

 

Henry Ford, Urvater der Autoindustrie, verlangte von seinen Ingenieuren und Kaufleuten Autos, die sich auch Ford-Arbeiter am Band leisten konnten. Dafür gab es die berühmte „Lizzy“ nur in Schwarz – und reduziert auf das Notwendige. Oder Citroëns „Ente“ entwickelt in den düstersten Zeiten des letzten Weltkriegs. Mit vier Türen und vier Sitzen und mit vier Litern Sprit auf 100 Kilometern zufrieden.

 

Konzentration auf das zahlungskräftige Publikum

 

Niemand will zurück zur „Lizzy“ und zur „Ente“. Aber Staunen muss darüber erlaubt sein, dass die geballte Ingenieurkunst unserer Tage kein Normalverbraucher-Auto zustande bringt, das in die Zeit passt. So kann der Kunde seinen teuren „Tesla“ zwar mit veganen Sitzbezügen ordern, aber nicht mit einer Motorisierung, die dem gebotenen Energie-Geiz Rechnung trägt. Das Problem haben auch andere Premium-Marken und unser (Halb-)Staatskonzern, der sich immer noch Volkswagen nennt.

 

Die Branche konzentriert sich auf zahlungskräftiges Publikum, das nur in der Freizeit (und für den Schulweg der Kinder) aufs Auto angewiesen ist. Mit regelmäßigem Busverkehr um die nächste Ecke und Stadtbahnen im Fünf-Minuten-Takt. Schon steigt der Anteil junger Großstadt-Bewohner dramatisch, die sich kein Auto mehr kaufen. Den Tanz ums „Goldene Kalb“ der PS-Protze vermögen auch solche Hiobsbotschaften nicht zu bremsen. Manager einer Schlüsselindustrie sollten mehr Weitblick beweisen. Und auf krisensichere Geschäfte mit dem Landvolk setzen.

 


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