Altersdiskriminierung im Rathaus

Warum gelten bei dem so wichtigen Amt des Bürgermeisters in einigen Bundesländern strenge Altersregeln?

Ein Rathaus (Symbolbild: AnnaER)
Ein Rathaus (Symbolbild: AnnaER)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Friedrich Merz ist Bundesvorsitzender der CDU und Fraktionschef der CDU/CSU im Bundestag. Claudia Roth (Grüne) kümmert sich in der Berliner Ampelkoalition als Staatsministerin um Kultur und Medien. Wolfgang Kubicki (FDP) leitet als Bundestagsvizepräsident regelmäßig die Parlamentsdebatten. Die Drei haben eines gemeinsam: Sie könnten im Saarland, in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Rheinland-Pfalz trotz ausgewiesener politischer Kenntnisse nicht für ein Bürgermeisteramt kandidieren. Merz und Roth sind Jahrgang 1955 und dort mit 67 Jahren längst zu alt für das Amt im Rathaus. Kubicki ist bereits 70. Von Wolfgang Schäuble einmal ganz zu schweigen, der zwar im Alter von 79 Jahren noch als Präsident des Bundestages aktiv war, aber schon 15 Jahre zuvor in Sachsen-Anhalt kein Bürgermeisteramt mehr bekommen hätte.

 

Von Altersdiskriminierung und Pensionierungszwang sprechen manche Kritiker, wenn sie die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Regelungen zur Altersgrenze für hauptamtliche Bürgermeister ins Visier nehmen. Der kreative Föderalismus hat eine Fülle verschiedener Festlegungen hervorgebracht. In manchen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Schleswig-Holstein kennt man nach oben keine Altersgrenzen für die gewählten Stadtoberhäupter. Andere wiederum legen in ihren Landesgesetzen sogar dezidiert fest, bis zu welchem Lebensalter noch die Wiederwahl für eine nächste Amtsperiode möglich ist. Zum Glück unterliegen wenigstens die ehrenamtlichen Bürgermeister, deren Arbeit auf Gemeinde- und Stadtebene so wichtig ist, meistens keinen Altersbeschränkungen.

 

Mit zweierlei Maß gemessen

 

Ein Blick in den Bundestag oder die Landesparlamente offenbart, dass hier offenbar bei einem Wahlamt mit zweierlei Maß gemessen wird. 92 Abgeordnete im aktuellen Bundestag, der sich gerne rühmt, „jünger“ und „weiblicher“ zu sein, sind 60 bis 69 Jahre und zehn Abgeordnete 70 und mehr Jahre alt. Wie im Berufsleben zeigt sich auch hier, dass Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit sich nicht allein am Lebensalter festmachen lassen. Wer fit ist, die Möglichkeit hat und gebraucht wird, arbeitet heute gerne länger.

 

Angesichts der Rente mit 67 und längeren Lebensarbeitszeiten stellt sich die Frage, warum gerade bei dem für die Bewohner eines Ortes so wichtigen Amt des Bürgermeisters in einigen Bundesländern strenge Altersregeln und -grenzen gelten. Man sollte eigentlich froh darüber sein, wenn eine erfahrene und mit den Örtlichkeiten bestens vertraute Person bereit ist, weiter das schwierige Geschäft der kommunalen Selbstverwaltung zu steuern und an guten Lösungen mitzuwirken.

 

Probleme beim Kandidatensuche

 

Gerade kleinere Kommunen haben immer wieder Probleme, für eine Bürgermeisterwahl geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Verschiedene Altersgrenzen sorgen dafür, dass rund 23 Prozent der Frauen und Männer im Land für eine Kandidatur ausscheiden, denn sie sind 60 Jahre und älter.

 

In einigen Bundesländern, darunter Baden-Württemberg, arbeitet man daran, den Termin für den Wechsel in den Ruhestand aus dem Paragraphenwerk zu tilgen. In Stuttgart hat die grün-schwarze Landesregierung zumindest in ihrem Koalitionsvertrag entsprechende Änderungen angekündigt. Auch in Thüringen will man ein Landesgesetz anpassen und zulassen, dass man mit 67 Jahren noch für das Bürgermeisteramt ins Rennen gehen kann – bisher war bei 65 Schluss. Vielleicht kommt auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo man zurzeit nur bis zum Alter von 60 Jahren für das Amt des hauptamtlichen Bürgermeisters kandidieren darf, die Debatte noch in Gang. Eine Altersdiskriminierung liegt dort zweifellos schon heute vor.

 


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