Gier schlägt Geist

Was mag nur in Altkanzler Gerhard Schröder vorgehen?

Gerhard Schröder umarmt Wladimir Putin (IMAGO / ITAR-TASS)
Gerhard Schröder umarmt Wladimir Putin (IMAGO / ITAR-TASS)

 

Von Hugo Müller-Vogg

 

„Ich habe immer deutsche Interessen vertreten. Ich tue, was ich kann. Wenigstens eine Seite vertraut mir.“ So zitiert die „New York Times“ den Altkanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder. Drei Aussagen – und nur eine entspricht der Wahrheit. Hier der Faktencheck:

 

     Nein, der im Sold Putins stehende Schröder vertritt seit dem Überfall auf die Ukraine nicht deutsche, sondern russische Interessen. Er relativiert und verharmlost Putins Vernichtungsfeldzug ganz im Sinne des Kremls.

 

     Nein, Schröder tut nicht was er kann. Er hat sich öffentlich nie in der notwendigen Klarheit von Putins Krieg distanziert. Und er hält krampfhaft an seinen Ämtern in Putin Energieunternehmen fest. Gier schlägt Geist.

 

     Ja, eine Seite kann Schröder vertrauen: die russische. Einen besseren westlichen Propagandisten für sein schändliches Tun kann der Zar im Kreml nicht finden. Was für ein Abstieg!

 

Was mag nur in Schröder vorgehen? Dessen Markenzeichen als Kanzler waren sein Pragmatismus und seine Fähigkeit, sich schnell auf neue Herausforderungen einzustellen. Jetzt aber scheint er in einer Parallelwelt zu leben, will offenbar nicht wahrnehmen, dass er sich in seinem Freund, dem angeblich „lupenreinen Demokraten, schrecklich getäuscht hat. Seine Aussage, es sei „nicht mein Ding, jetzt „einen auf mea culpa (meine Schuld)“ zu machen, zeugt von einer beängstigenden Mischung aus Realitätsverlust und (Alters)Starrsinn.

 

Schröder nimmt Putin in Schutz – trotz Butscha

 

Die schlimmste Passage in dem Gespräch mit der „New York Times“ ist Schröders steile These, das schreckliche Gemetzel, das Foltern und Morden in Butscha sei wohl nicht von Putin, sondern „von niedrigeren Stellen“ befohlen worden. Sollte Schröder wirklich entgangen sein, dass der Oberbefehlshaber Putin die Mörder von Butscha zur Belohnung ausgezeichnet hat? Wohl kaum. Eher kommt Schröder hier seiner Aufgabe als Lobbyist zuverlässig nach: Rede nur gut über deinen Auftrag- und Geldgeber.

 

Völlig unverständlich ist auch Schröders Behauptung, Putin wäre daran interessiert, den Krieg zu beenden. Aber das sei „nicht so leicht. Da gibt es ein paar Punkte, die geklärt werden müssen." Auch hier ist Schröder ganz „His Masters Voice.

 

Putin will angeblich den Krieg beenden? Nur zu!

 

Dabei ließe sich nichts so einfach beenden wie dieser Krieg. Dazu müsste Russland nur die Waffen schweigen lassen und seine Truppen zurückziehen. Daran denkt Putin aber nicht, weil – um mit Schröder zu sprechen – noch ein paar Punkte zu klären sind. Und die heißen: Abspaltung großer Teile der Ukraine und eine von der Gnade Moskaus abhängige, angeblich neutrale Rest-Ukraine. Wogegen Schröder wohl keine Einwände hätte.

 

Es liegt im westlichen und auch im deutschen Interesse, dass Putin in der Ukraine seine Kriegsziele nicht erreicht. Denn anderenfalls fühlte er sich ermuntert, andere ehemalige sowjetische Republiken und Ostblockstaaten ebenfalls von Europa zu lösen und seinem Einflussbereich einzuverleiben. Deshalb wird in der Ukraine auch die Freiheit Europas verteidigt.

 

Dies alles kann oder will Schröder nicht sehen. Er fühlt sich in seiner Mission als Relativierer und Verharmloser des Kriegsverbrechers Putin offenbar wohl. Wie ein ehemaliger Spitzenpolitiker sich so verrennen kann, ist unfassbar. Noch nie hat ein Ex-Kanzler so dezidiert den deutschen Interessen zuwidergehandelt wie Gerhard Schröder. Da fragt man sich unwillkürlich, warum er noch nicht einen russischen Pass beantragt hat.

 


Unser Gastautor

 

Dr. Hugo Müller-Vogg, ehemaliger F.A.Z.-Herausgeber, zählt zu den erfahrenen Beobachtern des Berliner Politikbetriebes. Als Publizist und Autor zahlreicher Bücher analysiert und kommentiert er Politik und Gesellschaft. www.hugo-mueller-vogg.de und www.facebook.com/mueller-vogg

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.