Erschreckend distanzlos

In Mecklenburg-Vorpommern soll die von Gazprom bezahlte Klimastiftung jetzt abgewickelt werden – damit ist das Thema aber noch nicht erledigt

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und der Botschafter der Russischen Föderation in Deutschland S.E Sergej Netschajew, aufgenommen auf dem 4. Unternehmertag: Russland in Mecklenburg-Vorpommern am 2. Juni 2021. (Foto: © Staatskanzlei MV)
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und der Botschafter der Russischen Föderation in Deutschland S.E Sergej Netschajew, aufgenommen auf dem 4. Unternehmertag: Russland in Mecklenburg-Vorpommern am 2. Juni 2021. (Foto: © Staatskanzlei MV)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Erwin Sellering sprach vor über einem Jahr im Zusammenhang mit der Klimastiftung MV offen von einem „sehr finsteren politischen Kapitel“. Der Ex-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern und Vorstandsvorsitzende der Stiftung meinte freilich nicht den Umstand, dass man in Schwerin eine Stiftung kreiert hat, die im Ergebnis Putins Gaskonzern Gazprom hilft, sich die Taschen zu füllen. Der SPD-Politiker beklagte damals gegenüber dem Deutschlandfunk vielmehr die US-Sanktionen. Die Stiftung sollte wie eine Brandmauer am Bau von Nord Stream 2 beteiligte Unternehmen schützen. „Sehr finster“ war für Sellering das Vorgehen der USA.

 

Nun könnte man noch Verständnis dafür aufbringen, dass ein ehemaliger Landesvater die Menschen und Firmen in seinem Bundesland vor Schaden behüten und die Energieversorgung sichern will. Doch das zähe Festhalten Sellerings an der mit rund 20 Millionen Euro aus der Gazprom-Kasse beatmeten Institution macht ihn in diesen Kriegstagen zu jemandem, der aus Fehlern offenbar nicht lernen will.

Und es war ein Fehler, nach der Ostseestiftung, die 2011 im Zusammenhang mit Nord Stream 1 entstanden war, im Jahre 2020/2021 ein weiteres Stiftungskonstrukt zu entwickeln, um der Nord Stream AG erneut in die Karten zu spielen. Denn neben den gut zu verkaufenden gemeinwohlorientierten Aufgaben wurde dieser Klimastiftung im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb die Aufgabe zuteil, den stockenden Pipelinebau zu Ende zu bringen. 20 Millionen Euro von Gazprom für einen Milliardendeal.

 

Kritiker vor Gericht gescheitert

 

Gegen das Stiftungsmodell wurde schon im vergangenen Jahr protestiert und geklagt. Vorneweg verschiedene Umweltverbände, die sich vor allem an dem Bekenntnis der angeblichen Klimastiftung zum Erdgas störten. Der Streit führte bis vor das Verwaltungsgericht in Schwerin. Doch auch dort scheiterten die Kritiker. Sellering sprach nach einem Urteil triumphierend von „haltlosen Angriffen und Anfeindungen“.

 

Heute wären SPD-Ministerpräsidenten Manuela Schwesig und ihr Innenminister und Parteikollege Christian Pegel, der damals in der SPD/CDU-Koalition das Energieressort führte, wohl froh darüber, wenn die Stiftung früh beerdigt worden wäre. Sie müssten sich in diesem Punkt nicht mehr eine erschreckende Distanzlosigkeit zu Russland vorhalten lassen. Dass unter ihrer Führung Wirtschaftslobbyisten an der Stiftungsstrategie mitstrickten und das Kapital dafür von einem russischen Staatskonzern kam, ist Beleg für eine im Rückblick naive russlandfreundliche Politik. Es war sogar vereinbart, dass die Nord Stream AG weitere 40 Millionen Euro nachschießt, wenn das Erdgas durch die beiden neuen Stränge der umstrittenen Ostseepipeline von Ust-Luga nach Lubmin bei Greifswald strömt.

 

Partnerschaftsverträge, Freundschaftsvereine, wirtschaftliche Beteiligungen, Stiftungsgründungen – dass deutsch-russische Kontakte lange Zeit mehr als eng waren und Kriegstreiber Putin dadurch gestärkt wurde, gehört zu den bitteren Wahrheiten der Gegenwart. Entspannungspolitik und die Hoffnung auf „Wandel durch Annäherung“ in der Ostpolitik haben den Blick für die Realität versperrt. Was zu hart war, wurde weich gemacht.

 

Putin zu lange vertraut

 

Dieser Vorwurf trifft nicht nur die SPD, die sich auffallend schwer damit tut, dies einzugestehen, aufzuarbeiten und im Fall des brutalen Überfalls auf die Ukraine jetzt die richtigen Schlüsse zu ziehen. Auch andere Parteien haben dem russischen Machthaber Putin zu lange vertraut und Beziehungen gepflegt. Der Schlussstrich kommt für die Opfer des Angriffskriegs zu spät.

 

In Mecklenburg-Vorpommern soll die von Gazprom bezahlte Klimastiftung jetzt abgewickelt werden. Das Thema ist damit aber nicht erledigt. CDU, Grüne und FDP wollen in einem Untersuchungsausschuss alle Details der Gründung und Einzelheiten der Gazprom-Einflussnahme durch ihre Nord-Stream-2-Tochter klären lassen. Ob Manuela Schwesig sich danach noch im Amt halten kann? Kaum vorstellbar.

 


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