Neue Grenzwerte – neue Aufgaben

Der Kampf gegen Schadstoffe in der Luft, die auch in Deutschland zu vorzeitigen Todesfällen führen, geht weiter

Zwar hat sich die Luftqualität in den Städten verbessert, aber wenn man die neuesten Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Maßstab nimmt, ist vielerorts noch zu viel Feinstaub und Stickoxid in der Luft. (Symbolbild: pixabay)
Zwar hat sich die Luftqualität in den Städten verbessert, aber wenn man die neuesten Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Maßstab nimmt, ist vielerorts noch zu viel Feinstaub und Stickoxid in der Luft. (Symbolbild: pixabay)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Zwischen hessischer Wasserkuppe und der Silbersteinstraße in Berlin liegen auf der Karte über 300 Kilometer und in puncto Luftqualität Welten. Während die Menschen an der Wasserkuppe oder auch im bayerischen Oberjoch saubere Luft einatmen können, ist die Schadstoffkonzentration in der Silbersteinstraße in Neukölln und auch an der Gladbecker Straße in Essen alles andere als gesundheitsfördernd. Dort herrscht an vielen Tagen im Jahr sprichwörtlich dicke Luft. Als „dreckigste Straße Deutschlands“ machte die Silbersteinstraße vor Jahren immer wieder Schlagzeilen.

 

Zum Glück sind die Belastungswerte an zahlreichen Messstellen in den vergangenen Jahren besser geworden. Wegen Corona rollte weniger Verkehr auf den Straßen, und den älteren Dieselfahrzeugen, wurde per Gericht die Einfahrt in manche Innenstadtbereiche komplett verwehrt. In Stuttgart wurden entlang einer Bundesstraße sogar teure Filtersäulen aufgestellt, um dort die Feinstaubproblematik in den Griff zu bekommen.

 

Der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO₂/ 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft) wurde laut Umweltbundesamt nach den bisher vorliegenden Zahlen in 2021 lediglich an zwei von über 600 Stellen im Jahresmittelwert überschritten: Landshuter Allee in München und Schlossstraße in Ludwigsburg. Im Jahr zuvor gab es noch sechs Stellen mit einem deutlich zu hohen NO₂-Jahresdurchschnittswert. Inzwischen hat sich die Belastung an der Habichtstraße in Hamburg und der Pragstraße in Stuttgart aber verbessert. Bei zwei weiteren Problemstellen (Schiede in Limburg und Hügelstraße in Darmstadt) erwartet das Bundesamt die 2021er Werte im Mai.

 

In der EU hohe Belastung mit Feinstaub

 

Im Februar hieß es zufrieden, dass die Luftqualitätsgrenzwerte in Deutschland im vergangenen Jahr nahezu überall eingehalten wurden. Diese Aussage stimmt aber nur, wenn man sich an den EU-Grenzwerten und den in einer Richtlinie festgelegten „Minderungsverpflichtungen“ (National Emmission Reduction Commitments, kurz: NEC) orientiert. Legt man die strenge Messlatte der WHO an, hat nicht nur Deutschland ein Problem. Danach wurden im Jahr 2020 gleich 96 Prozent der städtischen Bevölkerung in der Europäischen Union einer zu hohen Feinstaubbelastung ausgesetzt. Beim Stickstoffdioxid betraf dies 89 Prozent der Stadtbewohner. Deutschland gehört laut WHO trotz vieler Bemühungen nicht zu den Vorbildern: Die Belastung mit NO₂ war 2020 hier EU-weit am höchsten; beim Feinstaub gab es einen Platz im Mittelfeld.

 

Die WHO empfiehlt, dass die Konzentration von kleinen und gefährlichen Luftpartikeln fünf Mikrogramm pro Kubikmeter nicht überschreiten sollte. Weltweit erfüllt heute kaum eine Stadt diese Norm. Die Luftverschmutzung liegt oft um das Zehnfache über diesem Richtwert. Besonders schlecht ist die Luft in Neu-Delhi. In der indischen Hauptstadt liegt der Feinstaubgehalt noch 45 Prozent höher als im ebenfalls für extremen Smog bekannten Peking.

 

Neuer Anlauf im Herbst

 

Der Kampf gegen Schadstoffe in der Luft, die auch in Deutschland zu vorzeitigen Todesfällen führen, geht weiter. Die EU-Kommission will das Thema im Herbst noch einmal anpacken und die Richtlinie für die Luftqualität ändern. Wie weit man sich den WHO-Werten nähern wird, ist offen. Aber sicher kommt auch Deutschland nicht daran vorbei, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Das Umweltbundesamt in Dessau stellt bereits die Zukunft von Kaminöfen und Pelletheizungen infrage, obwohl der Anteil der bundesweiten Feinstaubbelastung durch Pelletzentralheizungen gerade einmal 0,3 Prozent ausmacht.

 

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