Der teure Ausflug in den Osten

Landwirtschaftliche Investitionen in Russland stehen vor dem Aus. Brotpreis bald bei zehn Euro?

Mähdrescher und Traktor bei der Weizenernte (Symbolbild: Ron Porter)
Mähdrescher und Traktor bei der Weizenernte (Symbolbild: Ron Porter)

 

Von Jürgen Muhl

 

Gustav Tietje ist ein erfolgreicher schleswig-holsteinischer Unternehmer. Der 70-Jährige war mit seinem Logistik-Unternehmen weltweit unterwegs. Jetzt investiert der Rendsburger zig Millionen Euro in Logistik-Center und auch das mit großem Erfolg. Derzeit aber macht er sich Sorgen um eine Investition, die von Anfang an von hohem politischen Risiko begleitet war.

 

Tietje gründete vor einigen Jahren in der Nähe von Kaliningrad den Getreidebetrieb Mamonovo Agro. Auf der riesigen Fläche von 4.500 Hektar, davon 1.500 Hektar im Eigenbesitz, bauen seine rund 30 Mitarbeiter Gerste, Mais und Weizen an. Der Großteil wird exportiert, zumeist in skandinavische Länder. Aber auch der inländische Handel mit russischen Abnehmern funktionierte.

 

Die Ernte aus dem Vorjahr stapelt sich

 

Der einstige Spediteur Tietje war stolz auf seinen landwirtschaftlichen Großbetrieb. Als sich dann die politische Lage mit dem Einmarsch der Russen in der Ukraine zuspitzte, geriet der Handel ins Stocken. Das Getreide – die Ernte aus dem Vorjahr - stapelt sich. Und die Ernte dieses Jahres steht ja erst noch bevor. Die lassen uns austrocknen, sagt Tietje. Von einer Enteignung hat der deutsche Investor aber noch nichts gehört. Tietje will einen solchen Vorgang nicht ausschließen, gibt aber die Hoffnung nicht auf, dass es doch noch zu einer politischen Einigung kommt und er seinen Betrieb zwischen Kaliningrad und der weißrussischen Grenze weiterführen kann.

 

Die Ost-Offensive der deutschen Landwirtschaft ist zunächst einmal beendet. Erst ging es in die ehemalige DDR, dann nach Polen und später nach Russland. „Das waren die ganz Mutigen unseres Berufsstandes“, sagt Stephan Gersteuer, Generalsekretär des Schleswig-Holsteinischen Bauernverbandes. Nach seiner Schätzung sind es bundesweit keine 100 Landwirte, die den Schritt nach Russland gewagt haben. Und inzwischen wohl bereuen.

 

Steigt Brotpreis auf zehn Euro?

 

Gersteuers Vizepräsident Klaus-Peter Lucht hat indes für Aufruhr in Teilen der Bevölkerung gesorgt. Nach seiner Prognose wird der Brotpreis auf zehn Euro steigen. Während der Deutsche Bauernverband eiligst zurückrudert und den Nord-Kollegen zurückgepfiffen hat, nimmt die Zahl derer, die Luchts Meinung teilen, zu. Nicht Weizen sei der Haupt-Preistreiber, vielmehr seien es Gas und Strom, sagt Stephan Gersteuer.

 

In Landwirtschaftskreisen wird derweilen die Kritik an der EU-Agrarreform größer. Die ab 2023 geltenden europäischen Stilllegungsverpflichtungen im Ackerbau sollten für die Zeit der Krise ausgesetzt werden, um auf diesen Flächen Lebens- und Futtermittel anbauen zu können,“ fordert nicht nur Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Inzwischen hat Brüssel bereits für das laufende Jahr die Krisenproduktion erlaubt. Bauern dürfen Nahrungs- und Futtermittel auf Flächen anbauen, die eigentlich stillgelegt werden sollten. Die Umsetzung hängt jedoch von den einzelnen EU-Ländern ab. In Deutschland dürfen Landwirte auf diesen Flächen bislang nur Futter ernten.

 

Günther hat sich mit seinem Vorpreschen allerdings den Zorn großer Teile der Grünen zugezogen. Jenem Koalitionspartner, den er am 8. Mai bei der Landtagswahl wohl erneut benötigen wird.

 


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