Triumph und Absturz an der Saar

Nach 23 Jahren gibt es im Saarland erstmals keine von der CDU geführte Regierung mehr

Anke Rehlinger, Spitzenkandidatin der SPD bei der Landtagswahl im Saarland (Foto: MWAEV)
Anke Rehlinger, Spitzenkandidatin der SPD bei der Landtagswahl im Saarland (Foto: MWAEV)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Das Saarland ist überschaubar groß und in der Landespolitik von Ortsnähe und kommunalen Themen geprägt. Deshalb wäre es vermessen, das Ergebnis der Landtagswahl im kleinsten Flächenland auf bundesweite Maßstäbe zu übertragen.

 

Doch die erste von vier Landtagswahlen im Jahr 2022 liefert gleichwohl wichtige Erkenntnisse:

  • Die SPD profitiert nach dem Erfolg auf Bundesebene auch an der Saar von der Wechselstimmung. Kommt zu diesem Trend noch eine glänzend aufgelegte Kandidatin hinzu, die Kompetenz geschickt mit Saarland-Liebe verbindet, lassen sich Ergebnisse einfahren, die selbst kühnste Erwartungen übertreffen. Geschlossen auftreten, geschlossen gewinnen.
  • Einen Amtsbonus muss man sich offenbar mehr als gedacht erarbeiten. CDU-Spitzenkandidat Tobias Hans hatte 2018 die Regierungsgeschäfte von der im Saarland beliebten Annegret Kramp-Karrenbauer übernommen, konnte aber als Ministerpräsident nicht die für einen Wahlerfolg notwendigen Pluspunkte sammeln. Da zentrale Kompetenzfelder von Anke Rehlinger als stellvertretender Ministerpräsidentin und Fachministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr besetzt waren, blieben Hans am Ende nur noch fast verzweifelte Versuche, mit Themen wie Energiepreis und Corona zu punkten. Offenbar zu weit entfernt vom Alltag der Saarländer. Nach 23 Jahren gibt es im Saarland erstmals keine von der CDU geführte Regierung mehr. Auch CDU-Chef Friedrich Merz, der im Saarland Präsenz zeigte, konnte das Blatt nicht wenden.
  • Kleinere Parteien werden, auch wenn sie im Bund am Regierungstisch Platz nehmen, auf Landesebene schnell Opfer eigener Unzulänglichkeiten. Einen „Berlin-Bonus“ gibt es hier nicht. Weder für die Grünen, die an der Saar bei der Bundestagswahl nicht einmal zugelassen waren, noch für die FDP, die auch nach zehn Jahren an der Saar um ihre Rückkehr in den Landtag zittern musste.
  • Die Linke, die 2009 im Saarland noch beachtliche 21,3 Prozent erzielen konnte, reibt sich weiter auf. Dass ihr altes Zugpferd Oskar Lafontaine wenige Tage zuvor erklärt hatte, im Saarland dürfe man die Linke nicht wählen, sorgte am Ende für den massiven Stimmenverlust und den Rauswurf aus dem Landtag. Die AfD bleibt trotz der Streitigkeiten, die eine Landesliste verhinderte, im Landtag – spielt dort aber weiter keine Rolle.

Der Machtwechsel an der Saar ist besiegelt. Im besten Fall ermöglicht er noch der CDU, in einer neuen Großen Koalition Mitverantwortung zu übernehmen. Anke Rehlinger ist erfahren genug, um den Wert stabiler Verhältnisse zu schätzen. In der Zusammenarbeit hatten sich SPD und CDU im Saarland zuletzt nichts vorzuwerfen. Und eine Koalition unter Führung der SPD entspräche sogar einem Wunsch der meisten Wähler im Land.

 

Herausforderungen gibt es über Ukraine-Krise und Pandemie hinaus reichlich. Mit 6,8 Prozent liegt die Arbeitslosigkeit im Saarland über dem Bundesdurchschnitt. Die wirtschaftliche Leistung ist von 2010 bis 2020 um 5,2 Prozent gesunken. Die Schuldenlast ist hoch. Die Saarländer hoffen auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Stärkung der Wirtschaft, Verbesserungen im Bildungsbereich und eine Kommunalreform. Ohne Zweifel genug Arbeit für eine GroKo.

 


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