Die Krise braucht andere Regeln

EU-Kommission stellt Versorgungssicherheit in der Landwirtschaft über bisherige strenge Umweltschutz-Pläne

Mähdrescher bei der Getreideernte (Symbolbild: analogicus)
Mähdrescher bei der Getreideernte (Symbolbild: analogicus)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Künftig sollen Bauern für Umweltschutz vorgesehene Ackerflächen nutzen dürfen, um dort Nahrungs- und Futtermittel anzubauen. Noch aber ist unklar, wie stark die Produktion dadurch steigen könnte.

 

Und natürlich fließt aus Brüssel auch wieder viel zusätzliches Geld. Knapp 500 Millionen Euro sollen sicherstellen, dass sich steigende Preise etwa für Dünger und Sprit nicht auf die Ernährungssicherheit auswirken. Die Millionenhilfe für die Bauern kommt aus EU-Geldern, kann aber mit nationalen Geldern erweitert werden. Für Deutschland sind rund 60 Millionen vorgesehen, der zweithöchste Einzelbetrag hinter Frankreich mit knapp 90 Millionen Euro.

 

Denn die Ukraine und Russland sind wichtige Produzenten von günstigem Getreide, vor allem von Weizen. Die beiden Länder liefern zusammen rund 34 Prozent des Weizens für die Weltmärkte.

 

Die Kommission erkennt damit die Notwendigkeit an, einer sicheren Ernährung den Vorrang zu geben. Das bedeutet in Teilen eine drastische, aber notwendige Nachjustierung beim Umwelt- und Klimaschutz. Beispielsweise sollte der Einsatz von Schädlingsbekämpfern nicht pauschal reduziert werden.

 

Kritik von Umweltschützern

 

Wird da also an den falschen Stellen angesetzt? Die potenziellen zusätzlichen Erträge auf den landwirtschaftlichen Flächen der EU seien global gesehen minimal, heißt es von Umweltschützern. Mehr Effekt habe es, wenn weniger Flächen für die Futter- und mehr für die Lebensmittelproduktion genutzt würden. Laut Greenpeace werden 71 Prozent der Agrarnutzfläche in der EU dazu verwendet, Tiere zu füttern. Genauer: Auf 60 Prozent des Ackerlandes in der EU werde Nahrung für Tiere angebaut.

 

Die Öko-Parole heißt also nach wie vor: Weniger Essen für den Trog und mehr für den Teller produzieren. Der weltweite Tierbestand müsse gesenkt werden. Hierfür könnten etwa Subventionen, die mehr Tierhaltung förderten, abgebaut und im Zweifel Schlachtprämien eingeführt werden.

 

Eine Lebensmittelknappheit in der EU droht zwar nicht. Doch angesichts befürchteter Importausfälle von Getreide und Soja aus der Ukraine und Russland will die Kommission die Lebensmittelproduktion in der EU steigern. Dafür soll vorübergehend die Bewirtschaftung von Brachflächen gestattet werden, die eigentlich zur Förderung der Artenvielfalt dienen sollen.

 

Futterpflanzen auf ökologischen Vorrangflächen

 

Auf diesen Flächen sollen nun vor allem Futterpflanzen wie Soja und Mais angebaut werden dürfen, die in der Tiermast eingesetzt werden. Bislang kam mehr als die Hälfte des Maises in der EU aus der Ukraine. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat bereits grünes Licht gegeben. Landwirte sollen demnach in diesem Jahr ausnahmsweise auch auf ökologischen Vorrangflächen Futterpflanzen anbauen dürfen. Flächen in der jetzigen Zeit brach liegen zu lassen, wäre ebenso verantwortungslos wie der Verzicht auf züchterischen Fortschritt, Pflanzenschutz und -düngung, heißt es zur Begründung.

 

Mehr als 80 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Verbände befürchten, dass mit dem Anbau auf Brachflächen die Umweltziele der EU für eine nachhaltigere Landwirtschaft untergraben werden könnten und fordern das weitere Verfolgen der bisherigen Umweltziele. Der Deutsche Bauernverband zeigt sich da krisenfester. In diesen schwierigen Zeiten habe die Ernährungssicherung in der EU Vorrang vor „Reduktionsvorgaben etwa beim Pflanzenschutz“ bekommen. 

 


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Wertvolle Flächen werden gebraucht: Ungenutzte Ackerflächen gehören zum „Green Deal“ der EU. Die Produktionsausfälle durch Russlands Überfall auf die Ukraine werfen aber die Frage auf, ob man sich die Stilllegung von landwirtschaftlichen Flächen im großen Stil überhaupt leisten kann.

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