Vom wahren Wert der Lebensmittel

Die hohen Verbraucherpreise schlagen endlich auf die Erzeuger durch: Sogar die Schweinemast rentiert sich wieder

Mastschweine bei der Futteraufnahme (Symbolbild: chx69)
Mastschweine bei der Futteraufnahme (Symbolbild: chx69)

 

Von Michael Lehner

 

Noch vor einem halben Jahr konnten Landwirte ihre Schlachtschweine nur noch mit Verlust zum Schlachthof bringen. Der Erzeugerpreis deckte grade mal die Futterkosten. Von fair bezahlter Arbeit oder gar Kapitalverzinsung keine Spur. Die Folge: Inzwischen sind Schweine Mangelware. Der Schlachthof-Preis steigt rasant, zuletzt um über 50 Cent pro Kilo binnen drei Wochen. Und das ausgerechnet zum Auftakt der Grillsaison.

 

Zum Hintergrund gehört auch die traurige Tatsache, dass nicht wenige Erzeuger aufgeben mussten. So brutal war der Preiskampf, der spätestens mit dem Auftreten der Afrikanischen Schweinepest eingesetzt hatte. Mit dem Importverbot nach China fiel ein wichtiger Auslandsmarkt weg. Und auch die Veggie-Kampagnen gegen den Fleischverzehr zeigten Wirkung. Nun kommen auch noch die dramatisch steigenden Getreidepreise nach Putins Überfall auf die Ukraine dazu.

 

Getreide besser direkt verkaufen?

 

Schon rechnen Landwirte nach, ob es nicht klüger ist, Getreide direkt zu verkaufen, statt es ans Vieh zu füttern. Die Branche nähert sich dem Öko-Ideal der flächengebundenen Fleischerzeugung. Sprich: Nicht mehr Tiere im Stall als vom eigenen Land satt werden. Was angenehmerweise auch das Gülle-Problem entschärft, weil sich die Exkremente weitgehend als Dünger auf eigener Fläche verwerten lassen. Vor allem entfällt die Umweltbelastung durch interkontinentale Futtertransporte. Und dauerhaft ordentliche Erzeugerpreise könnten auch noch dafür sorgen, dass Bauern nicht mehr in die Massenproduktion flüchten müssen, um irgendwie zu überleben.

 

Auf dem Schlachtrindermarkt hatte die Preiserholung bereits vor über einem Jahr eingesetzt. Die Erzeugerpreise stiegen bei knappem Angebot um rund ein Drittel. Und nun klagen Großschlächter auch bei den Schweinen über Nachschub-Probleme und hohe Preise. Die Forderung nach mehr Tierwohl – von den großen Handelsketten kräftig unterstützt – dürfte den Markt weiter verändern, weil viele Landwirte angesichts steigender Investitionskosten aussteigen und zugleich die Position der verbleibenden Erzeuger gestärkt wird.

 

Ukraine-Krieg beschleunigt den Preisschub

 

Verbraucher, die solchen Trend nicht so gut finden, sollten nachdenken: Letztes Jahr im Spätsommer brachte ein Ferkel von 25 Kilogramm dem Züchter gerade mal noch 20 Euro. Begleitet von einer Tierwohl-Debatte, die den Landwirten nur noch die Rolle des Sündenbocks lassen wollte. Und das liebe Vieh zum Umweltsünder stempelte. Der Ukraine-Krieg beschleunigt den Preisschub zusätzlich. Das bringt auch die Beteuerungen auf den Prüfstand, dass es Geld kosten darf, wenn es der Umwelt und den Tieren durch eine Agrarwende besser geht.

 

Luft nach oben scheint ohnehin vorhanden, wenn Konsumenten für einst spottbillige Schälrippchen mehr bezahlen als für die besten Bratenstücke. Nur weil das „Kleinfleisch“ unter dem Namen „Spare Ribs“ Mode wurde. Es wäre kein Schaden, wenn Wertschätzung wieder dem ganzen Schlachttier gilt. Und nicht nur vermeintlich edlen Teilen; während der Rest zu Spottpreisen in den Export geht und so den Bauern in armen Ländern zusätzlich das Leben schwer macht. Auch auf diesem Feld sorgen rapide steigende Energiekosten momentan für wachsende Vernunft. Nach Jahrzehnten des globalen Wettbewerbs um immer billigere Lebens- und Futtermittel sollte – wie bei Gas und Erdöl – die Einsicht wachsen, dass Selbstversorgung ein Wert an sich ist.

 


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