Rund 270 deutsche Unternehmen befinden sich in chinesischem Besitz

Von Christian Urlage
Russland und China haben sich durch Putins Krieg weiter angenähert, und die Regierung in Peking nimmt eine Schlüsselrolle in dem Konflikt ein. Daher warnen die USA die asiatische Großmacht scharf davor, Russland Waffen zu liefern oder andere militärische Hilfe zu leisten, mit der die Sanktionen unterlaufen werden.
Bisher gleicht Chinas Vorgehen einem Balanceakt: Die Regierung in Peking will einerseits die wichtigen Wirtschaftsbeziehungen in den Westen nicht gefährden – aber sie hat es zugleich abgelehnt, Putin für den Angriffskrieg in der Ukraine zu verurteilen. Wäre der Westen geschwächt, käme das China durchaus gelegen.
Sollte aber China Russland militärisch unterstützen, entstünde eine neue Situation, mit weltweiten Auswirkungen. Und was würde es für Deutschland bedeuten, wenn dann auch der Handel mit dem Reich der Mitte eingefroren würde? Derzeit ist das nur eine theoretische Überlegung. Doch betroffen wären in diesem Fall neben den zahlreichen Exporteuren auch rund 270 deutsche Firmen in chinesischem Besitz. Und diese Unternehmen finden sich nicht allein in den Metropolen der Bundesrepublik, sondern ebenso in Kleinstädten.
Eine Übersicht des Portals „Die Deutsche Wirtschaft“ über die 50 größten deutschen Unternehmen in chinesischem Besitz zeigt, wer dazu gehört: Zum Beispiel die Grammer AG mit Sitz in der 3.700-Einwohner-Gemeinde Ursensollen in der Oberpfalz, ein auf Pkw-Innenausstattungen und -Sitze spezialisierter Zulieferer. Der Umsatz lag 2020 bei immerhin mehr als zwei Milliarden Euro, die Mehrheitsanteile hält der chinesische Zulieferer Jifeng.
Automobilindustrie, Maschinenbau und Konsumgüter
Die Pirelli Deutschland GmbH in Breuberg im südhessischen Odenwaldkreis produziert Pkw- und Motorradreifen. Hauptaktionär mit einem Anteil von 37 Prozent ist ChemChina, eines der größten Chemieunternehmen des Landes. Ein Autozulieferer in chinesischem Besitz ist auch die Kiekert AG in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Heiligenhaus im Kreis Mettmann – ein Weltmarktführer bei Schließsystemen. Im März 2012 wurde das Unternehmen an den börsennotierten Autozulieferer Hebei LingYun verkauft.
Automobilindustrie, Maschinenbau, Konsumgüter: Diese bedeutenden Branchen stehen ganz oben auf der Liste chinesischer Investoren. Sie haben Unternehmen mit Firmensitzen und Produktionsstandorten nicht allein in Großstädten wie Augsburg, Stuttgart, München und Hamburg aufgekauft, sondern sind auch in kleinere Ortschaften gegangen, etwa nach Erndtebrück im Landkreis Siegen-Wittgenstein, nach Aichtal rund 20 Kilometer südlich von Stuttgart und nach Neustadt an der Saale in Unterfranken.
Eine neue, unerwartete Gefahr
Zwar hat in den vergangenen Jahren die Angst abgenommen, dass chinesische Investoren westliches Wissen durch Firmenübernahmen abgreifen. Doch nun bringt Putins Krieg eine neue, unerwartete Gefahr - mit möglichen, unabsehbaren Auswirkungen auf Arbeitsplätze auch in ländlichen Regionen Deutschlands.
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