Wo Arbeitskräfte aus der Ukraine fehlen

Gut möglich, dass Putins Angriffskrieg in der Ukraine hierzulande schon bald zu leeren Regalen bei Aldi, Lidl, Rewe und Co. führt

LKW einer Spedition auf einem Abstellplatz (Symbolbild: Ralphs_Fotos)
LKW einer Spedition auf einem Abstellplatz (Symbolbild: Ralphs_Fotos)

 

Von Christian Urlage

 

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) schlägt Alarm, weil 100.000 Lkw-Fahrer aus der Ukraine fehlen. Daher könnte in Deutschland drohen, was die Briten vor fünf Monaten nach dem Brexit erlebten: Lieferengpässe, lange Schlangen an den Tankstellen, fehlende Waren in den Supermärkten – und Fabriken, deren Maschinen stillstehen, weil Teile nicht geliefert wurden.

 

Das Problem ist allerdings nicht neu: Seit Monaten und damit lange vor Kriegsbeginn in der Ukraine klagt der BGL über einen Mangel an Fachkräften bei den Lastwagen-Fahrern. Der Beruf ist wenig attraktiv, da sich Familie und Beruf nur schwer vereinbaren lassen, Parkplätze fehlen und die Bezahlung schlecht ist. Kein Wunder, dass die Fahrer einen hohen Altersdurchschnitt haben und es schwierig ist, qualifizierte Bewerber für Ausbildungsplätze zu finden.

 

Im Kampf gegen russisches Militär und nicht hinterm Steuer

 

Osteuropäische Spediteure, vor allem polnische und litauische Unternehmen, wickeln weite Teile des Warenverkehrs in Deutschland ab. Aber nun stehen zahlreiche Fahrer aus der Ukraine auf einmal nicht mehr zur Verfügung. Entweder, weil Männer ab 18 im Rahmen der Mobilmachung einen Einberufungsbefehl erhalten haben und ihr Heimatland gegen das aggressive russische Militär verteidigen müssen. Oder weil sie ihre Familien in der schwierigen Zeit nicht allein lassen wollen. Deren Leben und Gesundheit zählt aus der Sicht der Fahrer gerade mehr als die Arbeit, was angesichts des Kriegs nur zu verständlich ist. Doch wenn diese Männer nicht mehr hinterm Steuer sitzen, geraten die Transportabläufe aus dem Gleichgewicht.

 

Heftigere Auswirkungen als Corona?

 

Zusätzlich zum Fahrermangel kämpfen die Spediteure mit dramatisch gestiegenen Sprit-Kosten. Putins Krieg wirkt sich daher noch heftiger aus als Corona. Langfristig kann der Konflikt dazu führen, dass die deutschen Handelsketten mehr und mehr auf eine regionalere Produktion setzen und sich die globalen Wirtschaftsbeziehungen neu sortieren.

 

Die Fahrer sind indes nicht die einzigen Arbeitskräfte, die in Deutschland fehlen. Jedes Jahr arbeiten tausende ukrainische Studenten als Erntehelfer, zum Beispiel in niedersächsischen Betrieben oder in Mecklenburg-Vorpommern. Wer diese Saisonarbeitskräfte beim Spargelstechen und bei der Erdbeer- und Gemüseernte ersetzt, lässt sich noch nicht absehen. Deutsche Landwirte, so heißt es, sollen unter anderem bei Polen und Rumänen geworben haben.

 

Verglichen mit den aktuellen existenziellen Sorgen der Ukrainer um ihr Leben und ihre Wohnung sind die fehlenden Lkw-Fahrer und Erntehelfer in Deutschland allerdings ein vergleichsweise überschaubares Problem.

 


Lesen Sie auch:

Putins Krieg beunruhigt auch Landtechnik-Firmen: Für die deutschen Hersteller von Mähdreschern, Traktoren und anderen Landmaschinen sind Russland und die Ukraine wichtige Exportmärkte. Nun blickt die Branche besorgt auf beide Länder.

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.