Mit dem „KoDorf“ ins Kuhdorf

Kooperative Wohnformen mit Co-Working-Einheiten und offenen Treffpunkten auf dem Land gelten als zukunftsträchtig und Motor für den Wandel

Eine junge Frau sitzt mit einem Laptop auf dem Schoß auf einer Dorfstraße in den Bergen (Symbolbild: Matthias Zeitler)
Eine junge Frau sitzt mit einem Laptop auf dem Schoß auf einer Dorfstraße in den Bergen (Symbolbild: Matthias Zeitler)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Kreativ sind sie ja, die sich gestresst und der Stadt überdrüssig nach der dörflichen Ruhe und dem freien Zugang zur Natur sehnen. Beim Ortswechsel und der Rückkehr in die Heimat haben gerade die Jüngeren die klassische Reihenhaussiedlung am Rand der kleinen Stadt nicht im Sinn. Sie suchen, so unkte schon vor Jahr und Tag das Magazin „Stern“, eine Art „urban wattierte Landlust“ und statt dem angeblich wenig attraktiven Kuhdorf das „KoDorf“. Kein Scherz: Kooperative Wohnformen mit Co-Working-Einheiten und offenen Treffpunkten auf dem Land gelten als zukunftsträchtig und Motor für den Wandel. Den von Bewohnern bedauerten Leerstand der alten Dorfkneipe nutzen die Kreativen als neuen Freiraum für die Selbstverwirklichung.

 

Konzepte, Ideen, Visionen und Utopien lassen sich, so scheint es, vor allem mit der Digitalisierung vorantreiben. Entsprechend ist in der gemeinsam von der Bewegung Neulandia und der Bertelsmann-Stiftung aufgelegten Veröffentlichung stolz von „digitalen Landpionier:innen“ die Rede. Sie sollen dabei mithelfen, aus dem mutmaßlichen Ödland die „progressive Provinz“ zu formen.

 

Alteingesessene sollen bleiben und Städter kommen

 

Beispiele finden sich an vielen Orten. Manche kommen handfest und bodenständig wie ein neuer Dorfladen daher, andere bleiben Plan und Idee in den Köpfen. Es ehrt alle Beteiligten, dass sie vor allem ein Ziel verfolgen: Sie wollen Alteingesessene zum Bleiben und Städter zum Umzug bewegen. Das Dorf, so die „Pionier“-Idee, soll vor allem durch Offenheit für Neues und Mut zur Veränderung an Attraktivität gewinnen.

 

Stets sollen die Möglichkeiten der Digitalisierung für eine bessere Daseinsvorsorge und eine höhere Lebensqualität abseits der großen Städte sorgen. Ob dies so funktioniert, ist zumindest fraglich. Denn die meisten Projekte hängen auch nach Jahren an der Nabelschnur öffentlicher Fördertöpfe, die mal Partizipation, mal Inklusion, mal Ehrenamt fördern sollen.

 

Ein intensiver Blick in das Heft gibt einen Überblick über die sehr unterschiedlichen Ansätze. Manches wirkt aufgesetzt, anderes hilfreich für eine kleine Gemeinde. Wittenberge an der Elbe leistete sich zum Beispiel 2019 einen „Summer of Pioneers“. 20 Digitalarbeiter aus Berlin, Hamburg oder Zürich konnten für kleines Geld in der Stadt wohnen und arbeiten, Projekte anstoßen und Ideen entwickeln. 15 sind geblieben oder kommen noch regelmäßig in den Ort. Heute gibt es in der Region die Kooperative „Elblandwerker“.

 

Alternative und nachhaltige Wohnformen

 

Schwieriger umzusetzen sind die „KoDorf“-Vorhaben mit alternativen und nachhaltigen Wohnformen. In Wiesenberg in Brandenburg müht man sich seit Jahren darum, das genossenschaftliche Projekt mit vielen Minihäusern für Jung und Alt zu erstellen.

 

23 „digitale Landpionier:innen“ haben in fünf Workshops politische Empfehlungen für sieben verschiedene Handlungsfelder formuliert und in einer Grafik auch gleich die Frage geklärt, wer sich von Europäischer Union bis Kommune darum kümmern sollte. Die Themengebiete reichen von der „Innovativen Kommunalverwaltung“ über „Fördermittel und Haushalt“ bis zu „Ehrenamt und Engagement“. Manches ist bekannt, anderes neu. Für all jene, die die Entwicklung der kleinen Gemeinde im Fokus haben, lohnt der Blick auf die Empfehlungen.

 


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