Wenn Öko-Träume Herrn Putin nützen

Der Widerstand gegen die Energiewende spielt dem Moskauer Diktator in die Karten und schadet gerade dem ländlichen Raum

Wildpoldsried mit seinen Windrädern (Screenshot: https://www.wildpoldsried.de/)
Wildpoldsried mit seinen Windrädern (Screenshot: https://www.wildpoldsried.de/)

 

Von Michael Lehner

 

Der preisgünstigste Strom kommt endgültig aus der Windenergie. Gerade mal 6 bis 8 Euro-Cent pro Kilowattstunde kostet die Produktion in den modernsten Anlagen. Da kann auch die Kernkraft nicht mithalten, wie ein Blick nach Frankreich zeigt. Und Elektrizität aus Gaskraftwerken wird endgültig zum Luxusartikel, seit Putins Überfall auf die Ukraine die Preise explodieren lässt.

 

Noch entscheidender wird unter dem Eindruck des schrecklichen Krieges hoffentlich die Erkenntnis, dass Sonne und Wind die einzigen Energiequellen sind, die Deutschland ein Mindestmaß an Unabhängigkeit garantieren. Das wäre ein Pfund, wenn – wie in diesen Tagen – nicht nur Feinde auf die Erpressbarkeit unserer Öko-Republik spekulieren.

 

Dass ausgerechnet Bayerns starker Mann reklamiert, die Gas-Lieferungen aus Putins Reich nur ja nicht zu gefährden, gibt da sehr zu denken: Bisher lässt sich nicht erkennen, dass CSU-Chef Markus Söder es wagt, die verhängnisvolle Anti-Windkraft-Politik seines Vorgängers Horst Seehofer nennenswert zu ändern. Während in Norddeutschland ganze Dorfgemeinschaften prächtig am Windstrom verdienen, wird der Freistaat endgültig zum Spielball der Strom-Konzerne und Gas-Barone.

 

Mit Anwälten gegen die Energiewende

 

Was hinter dem anhaltenden Kampf gegen Windmühlen steckt, wird momentan etwas klarer – bis hin zu kapitalkräftigen, überregional agierenden Netzwerken mit Anwälten, die sich auf Behinderung der Energiewende spezialisiert haben. Gekämpft wird mit harten Bandagen. Und auch mit der Unwahrheit, etwa mit massiven Rechen(?)fehlern zur Lärmbelastung durch Windkraftanlagen, die von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) nur höchst widerwillig korrigiert wurden, nachdem Wissenschaftler der Universität Bayreuth die peinliche Schwachstelle aufdeckten.

 

Ebenfalls endgültig fragwürdig ist der bundesweit betriebene Schachzug, Windräder mit dem Argument zu verhindern, dass diese den angeblich überaus seltenen Rotmilan gefährden. Ein Forschungsprojekt der EU-Kommission belegt, dass die laut „BirdLife Europe“ im Bestand nicht gefährdeten Raubvögel weit häufiger als an Windrädern daran sterben, dass sie vergiftete Ratten und Mäuse fressen oder mit Kraftfahrzeugen kollidieren.

 

Wie der Rotmilan, dem selbst der Eisenbahnverkehr wesentlich gefährlicher ist als die Windkraft, haben sich auch andere Vogelarten trotz Energiewende prächtig entwickelt. Der Nationale Vogelschutzbericht für die Jahre von 2004 bis 2016 zeigt: Plus 82 Prozent beim Seeadler, 62 Prozent plus beim Uhu und sagenhafte 970 Prozent Zuwachs beim Schwarzstorch, der mittlerweile seltene Kröten, Frösche und Lurche gefährdet.

 

Mehr zur EU-Rotmilan-Forschung findet sich beim ZDF.

 

Bürger-Energie rechnet sich prächtig

 

Dass es anderslautenden Behauptungen zum Trotz auch in Bayern gute Windkraftstandorte gibt, zeigt ein Blick ins Allgäu-Dorf Wilpoldsried. Auch dort rechnet sich das Konzept Bürger-Energie prächtig für die Dorfbewohner. Nicht nur durch den Öko-Stromverkauf, sondern auch durch die Ansiedlung von Hightech-Unternehmen aus dem Energie-Sektor und florierendem Tourismus mit Abordnungen aus aller Welt.

 

Andernorts weht weiter Gegenwind, auch außerhalb Bayerns. Etwa im hessischen Reinhardswald, wo der genehmigte Bau von 18 Windrädern auf heftigsten Widerstand stößt. Nicht einmal ein Prozent der Waldfläche wird dafür benötigt, zum Großteil schon durch Borkenkäfer, Sturm und Dürre entwaldet. Ganze 250 Bäume müssten nach Angaben des Betreibers gefällt werden. Aber auch die Rechnung, dass im Gegenzug Öko-Strom für 75.000 Einwohner fließen könnte, verfängt bei den Kritikern nicht.

 

Sowohl die ehrgeizigen Energiewende-Pläne der Ampelkoalition als auch die Explosion der Energiekosten dürften den Konflikt zwischen Natur- und Klimaschützern weiter befeuern. Ebenso die lauter werdende Frage nach Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke oder gar mehr Kohlestrom als Antwort auf die Hiobsbotschaften aus Moskau. Dort müssen Putin und Konsorten die Windräder wirklich fürchten, weil sie ihre wichtigste Geldquelle bedrohen.

 


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