Der Parteiausschluss als rote Linie oder letztes Mittel einer Partei

Ob Palmer, Maaßen, Wagenknecht oder Sarrazin: Zumeist geht es um eine politische Botschaft, die eine Partei an den Großteil ihrer Wähler aussenden will

Symbolbild: Gerd Altmann
Symbolbild: Gerd Altmann

 

Von Wolfgang Molitor

 

Der Ausschluss ist die schärfste und letzte Sanktionsmaßnahme, um parteischädigendes Verhalten von Parteimitgliedern zu ahnden. Die Voraussetzungen sind daher klar im Parteiengesetz geregelt, um willkürliche Entscheidungen, etwa bei bloßen Meinungsverschiedenheiten und Richtungsstreitigkeiten, zu verhindern. So darf der Ausschluss nur dann bei vorsätzlichem Satzungsverstoß oder erheblichem Verstoß gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei erfolgen, wenn dieser der Partei einen schweren Schaden zufügt.

 

Jeder Antrag auf Parteiausschluss will deshalb gut überlegt sein. Gegen jeden Beschluss eines parteilichen Schiedsgerichtes kann zudem vor einem ordentlichen Gericht geklagt werden. Immer häufiger aber wird er als disziplinierende Einengung von abweichenden Meinungen verstanden, mit denen oft keineswegs repräsentative Parteigruppierungen unliebsame Mitglieder auszugrenzen versuchen. Ob Boris Palmer bei den Grünen, Hans-Georg Maaßen bei der CDU, Sahra Wagenknecht bei den Linken oder Thilo Sarrazin bei der SPD: Zumeist geht es um eine politische Botschaft, die eine Partei an den Großteil ihrer Wähler und Wählerinnen aussenden will. Und die heißt in aller Regel: Wer was wie sagen darf, darüber entscheidet die Partei. Ob zu Flüchtlingen, Pandemie oder Gendern.

 

Meinungsfreiheit bei den Grünen besonders eng

 

Besonders eng legen die Grünen die Meinungsfreiheit in ihrer Partei aus. Boris Palmer, ein lupenreiner Grüner, der sich zu Recht vom linken Flügel zu Unrecht in die rechte Ecke gedrängt sieht, sieht als Ursache für die zunehmenden Versuche, Parteiausschlüsse zu forcieren, eine „überbordende Political Correctness, die dazu führt, dass Menschen nicht mehr sagen, was sie denken“. Dazu gesellten sich Versuche, „durch Ausgrenzung und Repression den Meinungskorridor unzulässig einzuengen“.

 

In manchen Fällen müssen Parteien eine rote Linie ziehen. Wenn sich einer wie Max Otte als CDU-Mitglied parteischädigend für die AfD zur Bundespräsidentenwahl nominieren lässt, muss dem zwingend ein Parteiausschluss folgen. Wenn einer wie der frühere AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gereon antisemitische Reden schwingt oder einer sich wie Andreas Kalbitz zur Leitfigur rechtsextremer, Demokratie gefährdender Politik stilisiert, dann muss selbst die AfD mit Ausschlüssen reagieren. Es gibt gerade bei der AfD genug weitere Fälle, die einer Entscheidung harren.

 

Oft aber ist der Ruf nach Parteiausschluss nicht mehr als ein Hilferuf, sich mit den Provokationen in der eigenen Partei besser auseinandersetzen zu können. Wagenknecht und Lafontaine geht/ging es bei den Linken um harte Kurskorrekturen. Maaßen um rechtspopulistische Aufmerksamkeit. Sarrazin zuletzt um millionenschwere Buch-Promotion und eitle öffentliche Wahrnehmung. Palmer vermarktet Palmer bis zur parteiunabhängigen erneuten OB-Kandidatur in Tübingen. Die jeweiligen Motive sind höchst unterschiedlich. Die einen mögen ihre Partei aufrütteln, die anderen verstören. Sie provozieren, manche spalten. Unbequem sind fast alle, gefährlich nur wenige.

 

Viele wollen ihrer Partei die Treue halten

 

Fast alle, die hinausgeworfen werden sollen, wollen ihrer Partei die Treue halten. Versichern, auf dem Boden des Parteiprogramms zu stehen. Behaupten, ihrer Partei nicht schaden zu wollen. Einige wie die einstige SPD-Ikone Wolfgang Clement oder der frühere AfD-Chef Jörg Meuthen geben zermürbt oder desillusioniert ihr Parteibuch von sich aus zurück. Einem wie Björn Höcke nutzte ein 2017 abgeschmettertes Ausschlussverfahren sogar, um erst recht die Karriere- und Einflussleiter in der AfD hochzusteigen. Wiederum andere finden nach einem Ausschluss wieder in ihre Partei zurück.

 

Parteien sind auf Pluralismus verpflichtet. Je breiter eine Partei aufgestellt ist, umso eher muss sie auch innerparteilich unterschiedliche Ansichten zulassen. Die Frage ist nur, wie tolerant, diskussionsfreudig und duldsam eine Partei ist. Die Entscheidung, wann die Grenze erreicht ist, ist auf jeden Fall oft kompliziert oder fällt meist erst nach längerem Verfahren. Und eignet sich damit nicht, parteiinterne Machtkämpfe und persönliche Animositäten vor dem Schiedsgericht auszufechten.

 


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