Nitrat, Dünger und der nächste Ärger

Aktuell beherrscht in erster Linie die Furcht vor weiter steigenden Dünger- und Energiepreisen den Alltag vieler Landwirte

Traktor mit Pumptankwagen auf einem Feld (Symbolbild: Wolfgang Ehrecke)
Traktor mit Pumptankwagen auf einem Feld (Symbolbild: Wolfgang Ehrecke)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Demonstrationen, Protestbriefe, Klagen. Beim Thema Düngen ging es in der Vergangenheit nicht zimperlich zu. Jetzt zeichnet sich erneut Ärger ab. Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne) haben durchblicken lassen, dass sie - anders als die Amtsvorgängerinnen Schulze und Klöckner - nicht bereit sind, sich für die deutsche Düngeverordnung mit der EU-Kommission anzulegen.

 

Brüssel droht Deutschland wegen Nichteinhaltung der EU-Nitratrichtlinie schon lange mit empfindlichen Strafzahlungen. Die EU hatte Deutschland 2018 erfolgreich vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Die Vorgängerregierung hatte daraufhin die Düngeverordnung in einem mühsamen Prozess neu austariert, novelliert und der EU-Nitratrichtlinie angepasst – aus Sicht der Kommission aber nicht so weit, wie man es sich vorgestellt hatte.

 

Es drohen viele neue Auflagen

 

Leistet die neue Ampel-Koalition keinen Widerstand mehr gegen die Forderungen aus Brüssel, könnten in absehbarer Zeit im Kartenwerk der Düngeverordnungen die phosphat- und nitratbelasteten Bereiche (die sogenannten gelben und roten Gebiete) im Vergleich zu heute deutlich wachsen. In manchen Bundesländern könnten am Ende bis zu 50 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche den Einschränkungen und Verboten unterliegen. Auf zig Millionen Hektar wären die Erträge geringer. Eine hohe Zahl landwirtschaftlicher Betriebe müsste mit neuen Düngeauflagen leben, weil der Grundwasserkörper unter den Anbauflächen belastet ist. Ungeachtet dessen, ob der Betrieb tatsächlich zu den Verursachern hoher Phosphat- und Nitratwerte gezählt werden kann.

 

Denn die EU macht es sich hier bequem. Wer oben anbaut, ist für die an den Messtellen ermittelten Belastungen unten verantwortlich, lautet vereinfacht die Faustformel. Obwohl man lange weiß, dass es Jahrzehnte dauert, bis Nitrat im tiefen Grundwasser ankommt.

 

NRW fordert Bund zum Handeln auf

 

Für NRW-Agrarministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ist das Verursacherprinzip wichtig. Weil Lemke und Özdemir beim Thema Düngeverordnung auf EU-Kurs einschwenken, hat sie Ende Januar die Bundesregierung zur raschen Reform der Verordnung aufgefordert. In der Bundesverordnung soll neu festgelegt werden, dass nur solchen Betrieben Düngebeschränkungen auferlegt werden, die nachweislich einen Stickstoff-Überschuss aufweisen. Damit wären die bisherigen Modellierungen der roten Gebiete in den Länderverordnungen zumindest abgesichert.

 

Für Heinen-Esser ist die starre Haltung Brüssels „weder fachlich noch politisch nachvollziehbar“. Dies sieht man im Bundeslandwirtschaftsministerium anders. Dort heißt es, dass die EU eine Binnendifferenzierung in den Bundesländern zulassen werde, wenn diese auf der Basis eines bundesweit vorgegeben Verfahrens und mit auch für die Kommission nachvollziehbaren Kriterien erfolgt. Im Klartext: Auch in Berlin richtet man sich auf die nächste Novelle der Verordnung ein, denn das aktuelle Regelwerk leistet dies zurzeit nicht.

 

Landwirte zwischen Bangen und Hoffen

 

Ende Januar war „Güllesilvester“. Der Tag, an dem die mehrmonatige Sperrfrist für das Ausbringen von Dünger in vielen ländlichen Kreisen endete. Je nachdem, wie die wohl unausweichliche nächste Überarbeitung der Düngeverordnung ausfällt, wird man im kommenden Jahr in vielen landwirtschaftlichen Betrieben auf diesen Tag mit Freude oder Missmut schauen.

 

Aktuell beherrscht in erster Linie die Furcht vor weiter steigenden Dünger- und Energiepreisen den Alltag. Auch im neuen Jahr gab es keine Beruhigung des Düngermarktes, sondern allenfalls starke Schwankungen. Landwirte und Händler berichten inzwischen von Lieferengpässen und -verzögerungen – und sind froh, wenn sie über ausreichend Gülle verfügen.

 


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