Schiff Ahoi – Die Küstenländer und ihre schwächelnden Werften

Die meisten Schiffsbaubetriebe in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein kämpfen ums Überleben

Kreuzfahrtschiff der Europa-Flotte im Trockendock (Symbolbild: pixabay)
Kreuzfahrtschiff der Europa-Flotte im Trockendock (Symbolbild: pixabay)

 

Von Jürgen Muhl

 

Die Container-Schifffahrt boomt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Bei den Reedereien läuft das Geschäft. Die Frachtraten sind gegenüber der Zeit vor Corona ins Unermessliche gestiegen. Von 3.000 Dollar bis 18.000 Dollar je 40-Fuß-Container. Fracht-Kapazitäten sind knapp, der Markt ist überhitzt. Dies ist die eine Seite des weltweiten Schiffsverkehrs.  Auf der anderen Seite sieht es dagegen im Schiffsbau düster aus. Besonders betroffen von dieser Misere ist der Großteil der Werften in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Seit drei Jahrzehnten kämpfen hier die Schiffsbaubetriebe ums Überleben. Ausgenommen sind nur kleinere und mittlere Werften wie jene, die sich auf den Bau von Yachten spezialisiert haben. Weil die chinesische Unternehmensgruppe Gensing im Zuge ihrer Insolvenz vom Schiffbau in Deutschland abwendet, stehen ihre vier Werften in Stralsund, Warnemünde, Wismar und Bremerhaven vor dem Aus. Der vorläufige Insolvenzverwalter zeigt sich allerdings für die Standorte in Stralsund und Bremerhaven zuversichtlich. Hier könnten Lösungen gefunden werden, heißt es.

 

Suche nach Investoren an der strukturschwachen Küste

 

Für den Weiterbau des zu drei Viertel fertigen und rund 1,5 Milliarden Euro teuren Kreuzfahrtschiffes „Global Dream“ werde mit Hochdruck nach Investoren gesucht. Es seien mit mehreren ernsthaften Interessenten Vertraulichkeitsvereinbarungen abgeschlossen worden. Es soll das größte Kreuzfahrtschiff der Welt werden - mit Platz für über 9000 Passagiere. Bleibt die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Mammut-Schiffes. Immer mehr Kreuzfahrer haben sich im Verlauf der Corona-Krise von größeren Schiffen abgewendet. Sie bevorzugen kleinere Schiffe wie die Aida- oder die Europa-Flotte. Möglich, dass die 342 Meter lange "Global Dream" nie fertiggestellt wird. Das alles hat auch zusätzlich mit der Zulieferindustrie Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft vor allem in Mecklenburg-Vorpommern. Das trifft besonders mittelständische Unternehmen.

 

Der bisherige Chef des insolventen Kreuzfahrtkonzerns und MV-Werften-Eigners Genting, Lim Kok Thay hat sich zwar jetzt mit der Nachricht gemeldet, er wolle das Schiff vielleicht erwerben. So twitterte der offenbar steinreiche Mann aus China.  Ein Hoffnungsschimmer ­ mehr aber auch nicht. Solche Aussagen in der Schiffsindustrie verschwinden häufig schnell wieder auf dem Grund der Meere. Seemannsgarn gehören in diesem Industriezweig zum Geschäft. Der Genting-Konzern hatte in der vergangenen Woche Insolvenz angemeldet. Der Anbieter von Kreuzfahrten war wegen der Pandemie in Schwierigkeiten geraten.

 

Über 2000 betroffene Mitarbeiter der Werften

 

Betroffen sind insgesamt etwa 2150 Mitarbeiter, davon rund 250 in Bremerhaven.

Viel besser sieht es auch in Flensburg und Rendsburg nicht aus. Die seit Jahren finanziell angeschlagene Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG), die mittlerweile dem Investor Lars Windhorst gehört, hat zur Überraschung all jener, die Soll und Haben unterscheiden können, die im Super-Yacht-Bau erfolgreiche Rendsburger Werft Nobiskrug übernommen. Die FSG beschäftigt in Flensburg rund 600 Mitarbeiter. Die in Rendsburg tätigen 270 Beschäftigten wurden fast alle entlassen. Bis man merkte, dass deren Erfahrung in dieser speziellen Schiffbau-Branche benötigt wird. Einige Nobiskrüger wurden zurückgeholt. Der Betrieb an der Rendsburger Obereider dümpelt vor sich hin. Ein Ergebnis, was vorherzusehen ist, wenn ein in Schwierigkeiten steckendes Unternehmen ein anderes übernimmt, das bislang mit einer eingefahrenen Mannschaft respektable Ergebnisse erzielt hat. Ähnlich wie beim Fußball-Bundesligisten Hertha BSC. Lars Windhorst steckte Anfang der Saison rund 380 Millionen Euro in den Hauptstadt-Club. Seitdem geht es mit den Berlinern bergab. Irgendwie fehlt dem windigen Investor auch das nötige Glück.  Schiff Ahoi!

 

Damit stolpert die Küste schon seit Jahrzehnten von einer Werftkrise in die andere. Das ist eine nicht endende Geschichte und ständiger Ballast für die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Länder im Norden.

 


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