Demokraten in schlechter Gesellschaft

Extremisten, Chaoten und Verschwörungsanhänger missbrauchen Proteste gegen staatliche Corona-Maßnahmen

Eine Demonstration gegen Corona-Maßnahmen. (Symbolbild: Rainhard Wiesinger)
Eine Demonstration gegen Corona-Maßnahmen. (Symbolbild: Rainhard Wiesinger)

 

Von Jürgen Wermser

 

Die Proteste gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen finden längst nicht mehr nur in Metropolen wie Berlin oder Hamburg statt. Auch in kleineren Städten und in ländlichen Regionen gehen zunehmend Menschen auf die Straße, häufig ohne Maske und unter Missachtung der Abstandsregeln. Organisiert werden diese zumeist als „Spaziergänge“ bezeichneten kleineren und größeren Demonstrationen über den Messenger-Dienst Telegram.

 

Jede einzelne dieser Kundgebungen mag für sich genommen nicht spektakulär wirken. Trotzdem sollten diese Proteste politisch nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Erstens ist die Vielzahl der Demonstrationen beträchtlich. So wurden beispielsweise an einem Montag Mitte Januar auf Telegram über 190 Veranstaltungen allein für Niedersachsen angekündigt. Zweitens reihen sich rechte Extremisten, Chaoten und Verschwörungsanhänger gerne in diese Proteste ein, um sie für ihre völlig anders gelagerten Ziele zu nutzen. Und drittens ergeben sich durch die Ausweitung in kleinere Städte und Gemeinden zusätzliche Risiken für die freie Berichterstattung gemäß dem bedrohlichen Satz: Wir wissen, wo du wohnst…

 

Angriffe auf Journalisten

 

Selbstverständlich ist es das Recht eines jeden Bürgers, friedlich für seine politischen Ziele und Interessen zu demonstrieren. Auch die Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern dürfen natürlich hinterfragt und kritisiert werden. So etwas gehört zu den Grundregeln unserer Demokratie. Doch genauso gehören dazu die Achtung vor Gesetzen und die freie Berichterstattung. Letztere gerät in Gefahr, wenn Protestierer gezielt Stimmung gegen Journalisten machen, sie verbal bedrohen oder gar körperlich attackieren. Selbst Morddrohungen gegen Redakteure und ihre Familienangehörigen sind bereits vorgekommen. So berichtete der Chefredakteur der Oldenburger Nordwest-Zeitung kürzlich dem NDR, dass er wegen einer entsprechenden Mail Strafanzeige habe stellen müssen.

 

Solche Angriffe auf die Pressefreiheit sind ebenso abscheulich wie entlarvend. Sie zeigen. dass es den Tätern nicht um die Sache - sprich Maßnahmen gegen Corona - geht. Sie wollen nicht politisch werben und Mehrheiten gewinnen, sondern das demokratische System als Ganzes bekämpfen. Eine breite öffentliche Aufmerksamkeit, in der sie sich argumentativ behaupten müssten, ist diesen Radikalen ein Gräuel. Sie wollen einschüchtern und sich mit ihrer Weltsicht ideologisch einigeln, sie scheuen das Licht der Medien und verachten den demokratischen Prozess. Pegida lässt grüßen.

 

Zusätzliches Risiko im ländlichen Raum

 

Wenn Medienvertreter in Metropolen bedroht werden, können diese nach Dienstende zumeist in der großstädtischen Anonymität untertauchen und so Schutz im Privaten finden. In ländlichen Regionen ist dies schon schwieriger. Viele Beteiligte kennen sich persönlich, wissen um das berufliche und familiäre Umfeld. Umso wichtiger ist, dass gerade hier die Freiheit und Sicherheit der Berichterstattung uneingeschränkt gewahrt bleibt.

 

Jeder, der Journalisten einzuschüchtern oder abzudrängen versucht, greift damit zugleich alle anderen Demokraten an. Denn ohne Medien, die umfassend und möglichst objektiv über Ereignisse und Hintergründe informieren, kann sich kein Bürger ein sachgerechtes politisches Urteil bilden.

 

Fazit: Wer aktuell gegen die Corona-Politik protestieren möchte, mag dies tun, doch sollte dabei stets genau prüfen, in wessen Gesellschaft er sich damit unter Umständen begibt. Sonst könnte sich so mancher gutmeinende Bürger unversehens in der Rolle eines Schutzschildes und damit nützlichen Idioten für Rechtsradikale und Chaoten wiederfinden - ein ebenso unerfreuliches wie gefährliches Ende von gutgemeinten Absichten. 

 


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