Schlüsselrolle für die Genossenschaften

Die Ampel will jetzt das in der EU schon vielerorts eingeführte „Energy Sharing“ nach Deutschland holen

Erneuerbare Energien – Solarstrom und Windenergie (Symbolbild: seagul)
Erneuerbare Energien – Solarstrom und Windenergie (Symbolbild: seagul)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Im Koalitionsvertrag ist schwülstig von einer „gemeinsamen Mission“ die Rede. Den weit über 800 Energiegenossenschaften und ihren 200.000 Mitgliedern, die dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) angehören, dürfte dies egal sein. Hauptsache die Hemmnisse, die die ab 2009 zu beobachtende Gründungswelle auf dem Sektor der erneuerbaren Energien abflauen ließen, sind bald Geschichte.

 

Bei der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zum Jahresende 2020 blieben etliche Hürden stehen. Zur Enttäuschung der Genossenschaften, die unter anderem darauf gehofft hatten, dass der Gesetzgeber die sogenannte Mitgliederversorgung einführt. Die Initiativen hatten darauf gesetzt, dass sie den Strom, den sie zum Beispiel mit eigenen Windkraft- oder Photovoltaikanlagen erzeugen, auch gemeinsam nutzen können. Bisher müssen Anlagenbetreiber und Stromverbraucher personenidentisch sein. Die Ampel will jetzt das in der EU schon vielerorts eingeführte „Energy Sharing“ nach Deutschland holen.

 

„Wir stärken die Bürger-Energie als wichtiges Element für mehr Akzeptanz.“ Diesen Satz haben die Koalitionäre in ihren Vertrag geschrieben. Im Klartext: Sie wissen, dass die Energiewende nur gelingen wird, wenn es landauf landab dezentrale regenerative Projekte gibt. Und diese müssen wirtschaftlich stabil aufgestellt sein, damit nicht über Nacht die Lichter ausgehen.

 

Die mehr als ehrgeizigen Klima-Zielmarken Robert Habecks

 

Habeck braucht eine gigantische Menge an Ökostrom für den Industriestandort

Auch deshalb wirbt Robert Habeck immer wieder für den gesellschaftlichen Klimaschutz-Konsens. Die mehr als ehrgeizigen Klima-Zielmarken, die der grüne Wirtschaftsminister am Dienstag nannte, haben es in sich. Deutschland benötigt in der Konsequenz auf Dauer eine gigantische Menge Ökostrom für Industrie, Verkehr und Gebäude.

 

Im großen Genossenschaftsverband in Neu-Isenburg, wo die Interessen von insgesamt 2.700 Genossenschaften vertreten werden, hat man erkannt, welches Geschäftspotenzial in dem Szenario steckt. Der Bürger-Energie, so sagte kürzlich Ingmar Rega, Vorstandsvorsitzender des Verbandes, komme bei der Energiewende eine „Schlüsselrolle“ zu.

 

Abbau von Hemmnissen für kleinere Energiegenossenschaften

 

Das Geschäft mit Solarstrom wird für kleinere Genossenschaften wieder attraktiver werden. Anlagen mit weniger als 750 Kilowatt Leistung sollen zum Beispiel nicht mehr einer komplizierten Ausschreibungsregulatorik unterliegen. Für die kleineren, meist ehrenamtlich geführten Genossenschaften eine Erleichterung. Und auch bei den Windanlagen mit bis zu einem Megawatt Leistung, die immerhin 1.700 durchschnittliche Haushalte versorgen können, sollen Hemmnisse abgebaut werden.

 

Gleichzeitig wird geprüft, einen bundesweiten Fonds zur Absicherung der Kosten aufzulegen. In Schleswig-Holstein wird ein Risiko bereits abgedeckt. Planungskosten werden vorfinanziert – und bei Erfolgslosigkeit nicht wieder zurückgefordert.

Parallel dürften auch die Mieterstrom- und Quartierkonzepte, die es bisher eher selten gibt, Rückenwind bekommen. Nach letzten Studien könnten 18 Prozent der vermieteten Wohnungen in Deutschland mit Mieterstrom versorgt werden, der in der weiten Nachbarschaft auf dem Dach erzeugt wird.

 

Förderung erneuerbarer Energien hat begrenzte Laufzeit

 

Doch wo Licht ist, gibt es Schatten: Die politisch gewollte Förderung der erneuerbaren Energien (Wasserkraft, Sonnen- und Windenergie, Biomasse und Erdwärme) hat wie alles im Leben eine begrenzte Laufzeit. Je nachdem, wann der Kohleausstieg erfolgt – 2030 oder zum spätesten Termin im Jahr 2038 –, wird auch die Unterstützung wegfallen. Die EEG-Umlage bewegt sich gegen Null. Auch dies muss man wissen, wenn man heute daran denkt, eine Energiegenossenschaft auf den Weg zu bringen, weil man sich zuhause zum Beispiel über den galoppierenden Strompreis ärgert.

 


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