Mit weniger Bürokratie zu mehr Klimaschutz

Bundesregierung will Dauer von Genehmigungsverfahren in Deutschland halbieren

Kölner Hauptbahnhof mit ausfahrenden DB-Zug (Symbolbild: Didgeman)
Kölner Hauptbahnhof mit ausfahrenden DB-Zug (Symbolbild: Didgeman)

 

Von Jürgen Wermser

 

Die Ampel-Koalition hat sich vorgenommen, die Dauer von Genehmigungsverfahren in Deutschland zu halbieren. Diese Absicht kann man nur unterstützen. Gleichwohl ist ein gerüttelt Maß an Skepsis geboten. Denn praktisch jede Regierung hat zu Beginn ihrer Amtszeit versprochen, bürokratische Hürden zu verkleinern. Doch dann fanden sich viele Teufel in den Details, und schon wurde das versprochene Reformwerk deutlich gestutzt…

 

Umso größer ist jetzt der politische Nachholbedarf. Denn zu viel Bürokratie bremst und verteuert Investitionen, lähmt die Innovationsbereitschaft und verhindert so die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Und nicht zuletzt: Weniger Verwaltungsaufwand führt zu deutlich mehr Klimaschutz. Das hier brachliegende ökologische Potenzial ist gewaltig, wie jetzt das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in einer Studie im Auftrag des Verbands der Chemischen Industrie dargelegt hat.

 

Beispiel BASF: 90 Prozent CO2-Einsparungen möglich

 

Ein Beispiel aus der Studie möge dies verdeutlichen: Bei BASF steht die Modernisierung eines in der Grundstoffindustrie benötigten Steamcrackers an. In dieser Großanlage wird mittels Erdgas die notwendige Betriebstemperatur von etwa 850 Grad Celsius erzeugt. Das CO2-Einsparpotenzial beträgt rund 90 Prozent, wenn der nötige Strom erneuerbar produziert wird.

 

Zur Einordnung: Der potenzielle jährliche Einspareffekt dieses einzelnen BASF-Projektes sei größer als der mögliche Effekt von Tempolimit 130 auf Autobahnen und einem Verbot von Inlandsflügen zusammen, heißt es in der IW-Studie. Verzögere sich das Gesamtprojekt um ein Jahr, so entsprechen die dadurch verursachten Emissionen in etwa der vom deutschen Klimaschutzgesetz verlangten gesamten jährlichen Emissionsreduktion des Industriesektors, die bei gut vier Millionen Tonnen CO2 liege.

 

75 Prozent weniger Windenergieanlagen genehmigt

 

Doch der Ausbau der erneuerbaren Energien verläuft bekanntlich nicht so glatt, wie es aus Klimaschutzgründen sinnvoll wäre - auch wegen einer Klagewelle, die grüne Naturschützer gegen Windkraftanlagen angestrengt haben. Von der Vorprüfung bis zur Realisierung einer Windenergieanlage werden in der Branche laut IW-Studie rund fünf Jahre veranschlagt. Und die durchschnittliche Genehmigungsdauer steige seit drei Jahren weiter, obwohl deutlich weniger Anlagen als vorher in Bearbeitung seien. So wurden in den Jahren 2017 bis 2019 im Schnitt 75 Prozent weniger Windenergieanlagen genehmigt, als im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2016. Zwar stieg im Jahr 2020 die Zahl der Genehmigungen erneut an, betrug jedoch nur knapp die Hälfte der jährlichen Mengen von 2014 bis 2016.

 

23 Jahre für neues Schienenprojekt

 

In anderen Sektoren, die auch für einen besseren Klimaschutz wichtig sind, sieht es beim Thema Bürokratie nicht wesentlich besser aus. Dies zeigt etwa die Antwort der früheren Bundesregierung auf eine „Kleine Anfrage“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu den Planungs- und Bauzeiten für Schienenprojekte über 30 km Länge. Darin wird eine Dauer von 13 Jahren und zwei Monaten für schnelle Projekte sowie im Mittel knapp 23 Jahre von der Vorplanung bis zur Realisierung genannt. Wie die Ampel-Koalition angesichts solcher Fristen eine schnelle Verkehrswende zugunsten der Schiene organisieren will, ist schleierhaft…

 


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