Ein bisschen Wischi und etwas Waschi

Der Neustart der CDU kommt auf leisen Sohlen. Falls er denn kommt.

Helge Braun, Norbert Röttgen und Friedrich Merz kurz vor der Live-Sendung. (Foto: CDU/Tobias Koch)
Helge Braun, Norbert Röttgen und Friedrich Merz kurz vor der Live-Sendung. (Foto: CDU/Tobias Koch)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Vom letzten Samstag an dürfen (oder müssen, wie man’s nimmt) die rund 400.000 CDU-Mitglieder vorentscheidend abstimmend darüber mitreden, wer ihr neuer Vorsitzender wird. Also Nachfolger jenes Armin Laschet, von dem keiner mehr spricht, dessen Ausrufung zum Kanzlerkandidaten aber weiter als bitterer Beleg herangezogen wird, wenn es um das Versagen einer abgehobenen Parteispitze geht, das die Partei mehr gekostet hat als den Verlust des Kanzleramts.

 

Dass die meisten Mitglieder dem Ende des ersten Wahlgangs am 16. Dezember entgegenfiebern, werden selbst die größten Optimisten in der CDU nicht behaupten können. Der eine der drei Kandidaten, Norbert Röttgen, ist vom Bundesparteitag bereits einmal abgewiesen worden, der zweite, Friedrich Merz, sogar schon zweimal. Und Helge Braun, der Dritte im Bewerber-Bunde, ist so nahe dran an den verflossenen Regierungsjahren, dass er mehr einem fleischgewordenen Merkel-Rückblick ähnelt als dem frischen Aufbruch zu neuen Ufern.

 

Und so sah sie auch aus, die Präsentation der drei Kandidaten. Sie war mehr ein gefühliges Schaulaufen als ein konturscharfes Kräftemessen.  Wohin es mit einem neuen Vorsitzenden gehen wird, bleibt jedenfalls weitgehend im Unscharfen. Weil alle glauben, die gedemütigte Partei vertrage noch keine Richtungsdebatte. 

 

Merz neue als Alles-und-jeden-Versteher

 

Friedrich Merz hat diese Einschätzung am ehesten umgesetzt. Der 66-Jährige mit Steher-Qualitäten hat sich vom konservativen Hoffnungsträger zu einem rundgeschliffenen Alles-und-Jeden-Versteher gemausert, der sich brüsk von der AfD abgrenzt, seinen Generalsekretär-Favoriten aus dem CDA-Lager, also dem Arbeitnehmerflügel der Partei, holt und ihm eine weibliche Stellvertreterin zur Seite stellt. Streng und gütig: So ist Merz auf gutem Weg, doch noch Parteichef zu werden. Einer zudem, dessen politische Krönung jetzt nicht mehr die Kanzlerkandidatur sein muss.

 

Braun propagiert die Mitmach-Partei

 

Ein bisschen Wischi hier, ein bisschen Waschi dort: Auch Helge Braun übt sich – gewiss, mit beeindruckender Präsenz und geschicktem Personaltableau – als Basisflüsterer und christdemokratischer Seelenklempner. Konservativ, liberal, sozial: Allen wohl, keinem weh – so will der Alle-Mitnehmer das Bewerberfeld von hinten aufrollen, um im Januar als Sieger ins Ziel zu kommen.  Braun propagiert dabei eine „Mitmachpartei“, was eher dem „Spiel ohne Grenzen“ ähnelt. Etliche CDU-Mitglieder werden sich noch an das muntere Hüpfen und Springen erinnern, schließlich liegt das Durchschnittsalter in der Partei bei 60 Jahren.

 

Röttgen als Außenseiter, aber nicht chancenlos

 

Und Norbert Röttgen? Das Rennen gegen Merz dürfte er wieder einmal klar verlieren. Chancenlos ist er – ebenfalls mit einem interessanten Team-Beiwerk – aber nicht. Immerhin erlaubt er sich, ehrlich auf die inhaltlichen, personellen und strukturellen Defizite in einer Partei hinzuweisen, die aus der Regierung gewählt wurde, aber noch längst nicht in der Opposition angekommen ist.

 

Die Republik schaut derweil nach Berlin.  Gleich, ob sich die CDU über ein paar Tausend Neueintritte freut oder in Umfragen bescheinigt bekommt, dass eine unaufgeregte Mehrheit der Bundesbürger daran zweifelt, einer der Drei wäre ein richtig guter Neustart-Chef. Denn in den nächsten Wochen stehen die Neuen des Ampelkabinetts im Mittelpunkt des Interesses. Ein undurchsichtiger Kanzler ohnehin. Das Land wird zwischen Annalena und Corona pendeln. Da ringt die CDU um ihren neuen Vorsitzenden eher im Schatten. Welche inhaltlichen Akzente der in den Vordergrund schiebt, um 2022 vier Landtagswahlen heil zu überstehen, muss sich ohnehin noch zeigen. Nettes Wischiwaschi wird dann nicht mehr reichen.

 


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