Dörfer ohne Kirche – das wäre ein Verlust

 

Von Christian Urlage

 

Es sind zwei wichtige, völlig verschiedene Feiertage, die Millionen von Christen in Deutschland in diesen Tagen feiern: Protestanten gedenken am 31. Oktober der Reformation, und Katholiken feiern am 1. November das Fest Allerheiligen. Trotz theologischer Differenzen beschäftigen die beiden großen Konfessionen ähnliche Fragen und Probleme: Sie kämpfen mit einem zunehmenden Mitgliederschwund und Bedeutungsverlust. Und sie sind zu harten Sparkursen und zu Fusionen bis hin zu XXL-Gemeinden mit der Größe eines Landkreises gezwungen.

 

Bei der religiösen Praxis bestehen regionale Unterschiede: Während in den Metropolen inzwischen oft nicht einmal mehr jeder Zweite einer Kirche angehört, sind die Bindung und das Ansehen in vielen ländlichen Regionen weitaus größer, zumindest im Westen. Ebenso ist die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement höher, etwa im Kirchenchor, bei den Posaunenbläsern, der Landjugend oder den Sternsingern, für Diakonie oder Caritas, im Presbyterium oder im Kirchenvorstand.

 

Wertvolle Bildungsarbeit und ein Beitrag zum Zusammenhalt

 

Landvolkshochschulen, Klöster und Büchereien in kirchlicher Trägerschaft leisten wertvolle Bildungsarbeit. Und durch ihr Wirken tragen die Kirchen und ihre Vereine und Verbände gerade in den Dörfern enorm zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Das hat sich beispielsweise bei der Integration von Flüchtlingen gezeigt.

 

Doch die Seelsorge steckt im Umbruch. Der Mangel an Priestern, Pastoren und Kirchensteuereinnahmen führt dazu, dass sich auch die evangelischen Landeskirchen und katholischen (Erz-)Bistümer dem Trend zur Zentralisierung nicht verschließen können. Aber wenn in einer Dorfkirche kein Sonntagsgottesdienst mehr gefeiert wird, hat das weitreichende Folgen.

 

Viele Bewohner, so zeigt die Erfahrung, sind nach der Schließung nicht bereit, den Nachbarort für den Gottesdienst aufzusuchen – dann bleiben sie vielmehr ganz weg. Das mag man als Kirchturmdenken beklagen, aber es ist eine Tatsache. Eine Entwicklung, die in den Niederlanden schon weit fortgeschritten ist und in Deutschland auch passieren kann.

 

Ein Stück Heimat geht verloren

 

Mit der Umwidmung einer Kirche geht zudem nicht allein ein religiöses Erbe verloren, sondern für viele Gläubige zugleich ein Stück Heimat. Denn der Ort, an dem sie getauft wurden und geheiratet haben, an dem sie von ihrer Mutter, ihrem Vater Abschied genommen haben, ist nun in dieser Form nicht mehr da.

 

Sanierung und Unterhalt eines Gotteshauses sind oft zu teuer, und im schlimmsten Fall kommt es zum Abriss. Und damit verschwindet aus dem Dorf nach der Post und der Sparkasse, dem Bäcker und dem Gasthaus auch die Kirche. Meistens steht sie als historisches, jahrhundertealtes Gebäude im Mittelpunkt eines Ortes. Noch wird die Zahl der Dorfkirchen in Deutschland auf rund 25.000 geschätzt, davon rund 13.500 katholische und 11.000 evangelische Gebäude.

 

Der Bund fördert den Erhalt von Kirchengebäuden

 

Was für einen hohen kulturellen Wert die Gotteshäuser mit ihren alten Gemäuern besitzen, haben übrigens auch Atheisten erkannt. Denn nicht wenige, die etwa in Mecklenburg in einem Kirchbauverein mitwirken, glauben zwar nicht an Gott, wissen aber die Kirchengebäude zu schätzen. Das sieht auch der Bund so und hat ein Förderprogramm aufgelegt, um Kirchen als Orte von Kultur und Öffentlichkeit zu fördern. Es ist Teil des Förderprogramms „Kultur in ländlichen Räumen“ des Bundesagrarministeriums und trägt den äußerst sperrigen Titel „Kirchturmdenken. Sakralbauten in ländlichen Räumen: Ankerpunkte lokaler Entwicklung und Knotenpunkte überregionaler Vernetzung“. Es wäre sinnvoll, wenn der Bund diese Mittel langfristig bereitstellen würde.

 

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