Keine Mehrheit fürs linke Wunschkonzert

 

Von Michael Lehner

 

Der Kuschelkurs nach den Sondierungsgesprächen bröckelt schon. Zumal bei den Grünen, wo Altlinke und Nachwuchs-Systemveränderer gerade noch über den Wahlabend hinaus die Füße stillgehalten haben. Nun wird längst schon wieder Druck gemacht – vor allem auf das eigene Spitzenpersonal. Bemerkenswert wie Robert Habeck seinen Leuten erklären muss, dass Koalitionen Kompromisse brauchen. Und dass knapp 15 Prozent zu wenig sind, um in der künftigen Bundesregierung die Richtlinienkompetenz zu übernehmen. Womöglich finden das aber sogar einige Realpolitiker der Grünen gut so.

 

Generell ähneln sich die Stimmungslagen bei SPD und Grünen. Sie haben dem Volk passable Spitzenkandidaten präsentiert. Wohl wissend, dass mit Schreihälsen und Dampfplauderern kein Blumentopf zu gewinnen ist. Nicht einmal bei der umweltbewegten Jugend, die zu erstaunlich großen Teilen FDP gewählt hat. Bei der Kandidatenkür der Sozialdemokraten erscheint das Kalkül noch offenkundiger: Sie ließen Olaf Scholz bei der Wahl der Parteivorsitzenden deutlich scheitern. Um dann zu begreifen, dass mit Leuten vom linken Flügel kein Staat zu machen ist – zumindest bei demokratischen Wahlen. Sie wissen dort auch, dass die SPD dem Abgrund wieder nahekäme, wenn die Genossenschaft dem Kandidaten vor der Kanzlerwahl in den Rücken fiele.

 

Wo das Stammpublikum der Schuh drückt…

 

Das Kernproblem der Linksrutscher: Der Traum von Rot-Grün-Rot ist erst mal ausgeträumt. Auch deshalb, weil die Linkspartei – wie die Linken bei den Wunschpartnern – den Fehler machte, Luxus-Minderheitsprobleme einer großstädtischen Subkultur in den Mittelpunkt zu rücken. Statt darauf zu achten, wo dem Stammpublikum der Schuh drückt.

Beruhigend ist in solcher Gemengelage, dass vor ein paar Monaten bereits in Baden-Württemberg der Versuch scheiterte, den grünen Wahlsieger Winfried Kretschmann in ein Linksbündnis zu drängen. Auch dort wurde klar, dass die Grünen nur mit Leitfiguren eine Chance haben, die die Kirche (und den Rostbraten und die Autos) im Dorf lassen.

 

Ebenso beruhigend, dass bald nach der Wahl der besonnene Robert Habeck die Rolle übernommen hat, das Gesicht der Grünen zu sein. Er kann sogar mit dem FDP-Chef, der Porsche fährt und keine Reichensteuern will. Beide passen irgendwie ganz gut zu Olaf Scholz und dessen Gabe, auf Emotionen zu verzichten.

 

Scholz weiß wohl, dass ohne ihn gar nichts geht in einer links wie rechts ernüchterten Republik. Zumindest nicht mit einer Union, die im Gegensatz zu Konkurrenz nicht auf die Idee kam, ihren Kandidaten nach den besten Chancen beim Volk zu küren. Was dem Bayern Markus Söder immerhin die Verlegenheit ersparte, im Tanz ums Babylon Berlin endgültig zu vergessen, dass Wahlen womöglich in den Metropolen gewonnen werden – aber in der Provinz verloren.

 

Der Traum von der Systemveränderung ist am Wahlvolk gescheitert. Auch wenn Teile von SPD und Grünen  das noch immer nicht glauben.

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