Der Anfang vom Neubeginn

 

Von Jost Springensguth

 

Hendrik Wüst war schon immer früh dabei und hat stets für frischen Wind gesorgt. Auf diesem Weg musste er bei allen Höhenwinden auch ein politisches Sturmtief hinter sich lassen. Mit 15 Jahren war er Gründungs- und Führungsfigur der Jungen Union in seinem kleinen Heimatstädtchen Rhede im Westmünsterland; knapp zehn Jahre später war er Vorsitzender des CDU-Nachwuchses in Nordrhein-Westfalen. Es dauerte nicht lange, als er mit 30 Lenzen im Landtag Platz nahm und schnell darauf der jugendliche Generalsekretär seiner Landespartei unter Jürgen Rüttgers war.

 

In dieser Zeit stand er erst einmal im Sturm, als Sponsorentermine mit dem Ministerpräsidenten zum Störfall im Wahlkampf wurden. Wüst übernahm die politische Verantwortung, obwohl er es nicht allein gewesen sein kann. Politische Jugendsünde oder nicht - die Delegierten des Landesparteitages der CDU in Bielefeld haben ihn jetzt im Zuge des geordneten Rückzugs Laschets aus der Landespolitik an die Spitze der Partei gesetzt und legen alle Hoffnung auf ihn.

 

Direkt in Verbindung stand die Nominierung zum neuen Kandidaten als Ministerpräsident. Schritt 1 wurde gestern glatt vollzogen. Nordrhein-Westfalen hat mit dem 46jährigen Hendrik Wüst zugleich ein immer noch junges Gesicht und einen Mann mit beachtlicher politischer Erfahrung an der Spitze des Landes.

 

Signal für die Union im ganzen Land

 

Nach dem Einbruch der Union bei der Bundestagswahl ist der neue CDU-Ministerpräsident eines der Gesichter, die im gewünschten Erneuerungsprozess in der Partei gesucht und nach vorn geschoben werden. Gleichwohl steht jetzt Schritt 2 auf dem Plan. Im Mai nächsten Jahres wird in Nordrhein-Westfalen der nächste Landtag gewählt. Und damit geht es um ihn. Die Ausgangslage ist trotz seiner starken persönlichen Ausstrahlungskraft für Wüst mehr als herausfordernd. Erst einmal hat er gestern seine Ein-Stimmen-Mehrheit in der Koalition mit der FDP zusammenhalten können – und noch drei Stimmen zusätzlich (woher auch immer) bekommen.

 

Die Leistungsbilanz seines Vorgängers hinterlässt ihm das Bild eines gut und sicher geführten Landes. Gleichwohl sind – wie auch in Schleswig-Holstein mit dem ebenfalls jugendlich wirkenden Daniel Günther – im Sog der Bundestagswahl die Umfragewerte der CDU auch in den Ländern gefährlich tief abgerutscht. Das wird für beide Hoffnungsträger ihrer Landesverbände zu persönlichen Herausforderungen wachsen. Beide können in erster Linie zunächst die eigene Zugkraft als Spitzenkandidaten in die Waagschale werfen. Dahinter wird zu sehen sein, ob sich auch ihre Landesverbände der CDU wieder geschlossen aufrappeln können.

 

Start der Ampel in Berlin zugleich als Chance und Risiko

 

Gesetzt dem wahrscheinlichen Fall einer erfolgreichen Regierungsbildung in Berlin, wird der Start der Ampelkoalition zugleich Auswirkungen auf die anstehenden Wahlen in den Ländern haben. In Berlin verhandelt das Bündnis der politischen Gegner der Union. Nach der Kanzlerwahl wird ein glatter oder holpriger Regierungsstart als Trendsetter für die Stimmung im Lande wirken. Das birgt Chancen und Risiken für die anstehenden Wahlkämpfe.

 

Wüst hat ein anderes Profil, das nach der Zeit der Kompromisse in der Großen Koalition jetzt von vielen Anhängern der Union offenbar gesucht wird. Mehr Nähe zur Wirtschaft wie etwa auch bei Linnemann und Merz und sichtbare bürgerlich-konservative Wurzeln scheinen für eine Mehrheit in der CDU wichtige Grundlagen der angestrebten neuen Profilierung zu sein. Das bezieht auch die stärkere Gewichtung der Politik für den ländlichen Raum ein, die nicht nur aus den Reihen der Landnutzer als Forderung zu hören ist, sondern etwa auch vom BDI, der dort bessere Entwicklungschancen für mittelständische Familienunternehmen sieht.

 

Der neue Ministerpräsident in NRW steht dafür, das zu verbinden zwischen den starken urbanen Regionen an Rhein und Ruhr und dem großen Gewicht des Mittelstandes und den starken Strukturen der kleineren und mittleren Städte. Er hat sein Amt mit ausgestreckten Armen und bei aller politischer Konkurrenz mit unüberhörbaren Signalen seiner Integrationswilligkeit angenommen. 

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