Atomkraft, ja bitte?

 

Von Michael Lehner

 

Greta aus Schweden (wo die Kernkraftwerke weiterlaufen) hat sich schon vergangenes Jahr verplappert und dezent erwähnt, dass Atomstrom eine Zwischenlösung sein könnte, um die Welt doch noch zu retten. Heute sind wir einen Schritt weiter: Frankreichs Präsident will weit mehr Reaktoren. Und nicht einmal aus Berlin kommen entschiedene Widerworte.

 

Haben sich die Deutschen am Ende gegen „Grünen Strom“ entschieden, als die Bundesregierung nach der Katastrophe im japanischen Fukushima förmlich in eine überstürzte Energiewende flüchtete. Widerspruch aus dem konservativen Lager – wie vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Michel Glos – wurde nicht geduldet. Der weit durchdachtere Ausstiegsplan der rot-grünen Vorgängerregierung war quasi über Nacht Makulatur.

 

Teures Gas aus Russland und Norwegen

 

Was folgte, war Groteske: Wir kaufen sündhaft teures Gas aus Russland und aus Norwegen, das auch noch mit Öko-Zertifikaten prächtig Kasse macht. Die Großkonzerne (speziell aus Skandinavien) lassen sich unseren Ausstieg vergolden, während auch in Finnland und Schweden die Atommeiler weiterlaufen.

 

Seit klar ist, dass das gute Gewissen immer teurer wird, ist sogar in Berlin ein Satz hoffähig geworden, der Kernkraftkritiker in Schnappatmung bringt: Zuerst aus der Kohle und dann erst aus der Kernkraft aussteigen, wäre vernünftiger gewesen. Aus der deutschen Vorreiter-Rolle droht ein teurer Reinfall zu werden.

 

Das Schlimmste: Über die Probleme des Atomstroms - wie die immer noch ungeklärte Endlagerung und deren Kosten - wird kaum noch geredet. Die Risiken gelten plötzlich als beherrschbar. Wenn nicht, gehören auch die Deutschen zu den Bedrohten. Ausstieg hin oder her.

 

Kohleausstieg noch kurzfristiger?

 

Zugleich überbieten sich Politiker hierzulande mit immer kurzfristigeren Plänen für den Kohleausstieg. Wir kaufen nicht nur Gas, sondern auch Strom aus in Deutschland geächteten Quellen. Aber zugleich kommen Windkraft und Sonnenenergie so schleppend voran, dass die Pläne für eine Öko-Elektrifizierung der Industrie wie Tagträume wirken.

 

Ob im Land der Dichter und Denker mittlerweile allein die Dichter das Sagen haben, ist keine Scherzfrage. So wahr die Leute, die gegen Kernkraft und Kohle kämpften, oft aus dem gleichen Lager kommen wie der Widerstand gegen Windräder und Hochspannungsleitungen.

 

Außerdem braucht es nur wenig Phantasie für das Szenario, dass Anhänger der Elektromobilität eines nicht so fernen Tages die Wiederinbetriebnahme der Atommeiler fordern, weil ihren Fahrzeugen der Saft ausgeht. Auch solche Rückwärtswende werden sich die Konzerne gut bezahlen lassen. Und am Ende auch noch an den Öko-Strompreisen festhalten, an die sich die Deutschen zunehmend gewöhnen.

 

Mal sehen, was bei den Koalitionsverhandlungen zum Thema herauskommt. So gut wie sicher ein verschämtes Ja zur Nordstream-Pipeline, ohne die uns Russlands Putin wohl nicht aus der hausgemachten Patsche helfen wird. Und bis dahin importieren wir halt weiter Strom aus Quellen, die aus eigener Produktion verpönt sind.

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