„Doc Direct“ gegen den Landarztmangel

 

Von Wolfgang Molitor

 

Die virtuelle „Doc Tour“ der Techniker Krankenkasse (TK) Baden-Württemberg wandelt auf neuen Wegen und vermittelt ungewohnte Einblicke in den Arbeitsalltag einer Praxis. Dass sie damit bei Studierenden nicht zuletzt die Lust wecken will, später in einer Landarztpraxis zu arbeiten oder sich selbstständig zu machen, ist kein Geheimnis. Und dringend notwendig…

 

Nicht nur im Südwesten finden sich für immer mehr Einzelpraxen keine Nachfolger mehr. In Baden-Württemberg sind laut Versorgungsbericht der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW) seit 2015 insgesamt 757 weggefallen. Das sind acht Prozent der gesamten Arztpraxen.

 

Fakt ist: Von den gut 7.000 Hausärzten im Land sind 1.400 älter als 65 Jahre. Was bedeutet: Ohne sie ist vor allem die ambulante Versorgung im ländlichen Raum gefährdet. Neueinsteiger machen einen Bogen um die Arbeit in der Provinz. Sie zieht es zumeist in Ballungsräume. Oft aus gutem Grund: Die Wege zu den Patienten oder in Pflegeheime sind weit, kosten Geld, Zeit und Nerven. Was helfen soll, sind virtuelle Sprechzimmer mit Beamer, Leinwand und Kamera. Allmählich nimmt die Akzeptanz der Telemedizin zu, auch weil sich niemand um die Qualität der Betreuung sorgen muss.

 

Schub durch die Corona-Krise

 

Geholfen hat dabei die Corona-Krise. In Baden-Württemberg brachte die Pandemie einen immensen Schub für diese digitalen Angebote, die vor drei Jahren als Pilotprojekt in Stuttgart und dem Kreis Tuttlingen unter dem Schlagwort „Doc Direct“ gestartet war. 2019 gab es im gesamten Land lediglich 216 Videosprechstunden, 2020 besuchten schon rund 130.000 Patienten ihren Arzt online. Dennoch ist das erst der Anfang. Eine große Rolle spielen dabei die Großpraxen, deren Zahl ständig wächst. Gab es vor zehn Jahren in Baden-Württemberg 102 Großpraxen mit mindestens fünf Ärzten oder Physiotherapeuten, sind es heute bereits 454. Das Haar in der Suppe: Sie befinden sich zu 70 Prozent in Städten oder Ballungsräumen.

 

Deshalb führte die grün-schwarze Landregierung im Sommer eine Landarztquote ein. Seitdem sollen 75 Studienplätze jährlich an Bewerber vergeben werden, die sich im Anschluss an ihr Studium eine Zeitlang als Landarzt verpflichten. Die erste Resonanz war positiv, 450 Interessenten gab es für das anstehende Wintersemester. Die „Doc Tour“ nimmt Fahrt auf. 

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