Schweinerei an der Fleischtheke

 

Von Michael Lehner

 

Aktuell steht das Thema Fleischerzeugung unter dem Reklame-Schlagwort „Tierwohl“. Aber bei den Bauern kommt von den satten Zuschlägen kaum was an. Da muss die Politik was tun. Die Borchert-Kommission hat gute Vorschläge geliefert, doch was wird daraus? Das ist ein Thema voller Unsicherheiten und Ärger im Existenzkampf der landwirtschaftlichen Erzeuger.

 

Der westfälische Bauer trägt sein Herz in der Regel nicht auf der Zunge. Doch wenn der Landwirt Hubertus zur Herde auf den aktuellen Schweinepreis angesprochen wird, platzt ihm der Kragen. „Ich schließe den Stall Ende des Jahres ab. Das sind die letzten Schweine, die ich hier mäste.“

 

Der Mann beschreibt die Stimmungslage von vielen Landwirten in ganz Deutschland. 1,20 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht bekommt der Erzeuger derzeit für ein Mastschwein. Für Sauen werden gerade einmal 50 Cent pro Kilo geboten und die Viehhändler können froh sein, wenn ihnen diese älteren Muttertiere überhaupt abgenommen werden.

 

Land auf, Land ab stallen Schweinebauern nicht mehr ein. Schließlich sind die Kosten für die Mastdurchgänge höher als der Verkaufserlös am Schlachthof. Erstaunlich ist bei dieser Entwicklung nur eins: Nie waren Fleisch und Wurst im deutschen Supermarkt teurer.

 

Wer ist der Gewinner in der Erzeugungskette?

 

Schaut man in die Statistik der Verbraucherpreise für Fleisch und Fleischwaren, so sind die Preise seit 2016 kontinuierlich gestiegen, im Jahr 2020 um satte 6,14% gegenüber dem Vorjahr. Könnte es sein, dass der deutsche Lebensmitteleinzelhandel auf die Bundesernährungsministerin Julia Klöckner gehört hat? Schließlich fordert sie seit Jahren „Schluss mit dem Billigfleisch“.

Aber die deutlich höheren Verbraucherpreise kommen nicht bei den Erzeugern an. Das liegt ein wenig am modischen Fleischverzicht der Konsumenten. Binnen drei Jahren ist der jährliche Fleischverzehr der Deutschen von 61,1 auf 57,33 Kilogramm gesunken. Zudem bremsen Corona-Pandemie und Schweinepest den Export empfindlich.

 

Bleibt die Frage, wer von Erzeugerpreisverfall bei immer höheren Ladenpreisen profitiert? In der Wertschöpfungskette kommen nach den Bauern Schlacht- und Verarbeitungsindustrie und schließlich der Lebensmitteleinzelhandel. Dieser hat seit jeher ein besonderes Augenmerk auf Leberwurst und Co. Schließlich sind Fleischprodukte so genannte Schnelldreher, also Waren, die im Laden schnell verkauft werden und damit eine niedrige Liegequote haben. Im Branchen-Jargon: „echte Margenbringer“.

 

Wer lässt sich schon gern in die Bücher schauen?

 

Keiner der Beteiligten lässt sich in der aktuellen Lage in die Bücher schauen. Sonst wäre sehr schnell klar, wer an den momentan traumhaften Spannen richtig gut Geld verdient. Ein Branchenriese ist jedoch bereit, die Mauer des Schweigens zu brechen: Clemens Tönnies, Inhaber von Deutschlands größtem Schlachtkonzern, hat im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung angeboten, dass ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer in seine Bücher schauen darf.

 

Tönnies weiß wohl genau, dass seine Zahlen belegen, wo die Gewinner der Preisspirale zu suchen sind. Und warum die Verlierer machtlos sind, wenn der Verbraucher ein König ist, dem das Schicksal der Tiere wichtiger ist als die Not vieler Bauern.

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