Ein Käfig voller Narren

 

Von Hugo Müller-Vogg

 

Norbert Röttgen ist ein versierter Außenpolitiker. Vor allem ist er zurzeit als Mitglied des CDU-Präsidiums gefragt, wenn es um die Rundum-Vor-Sondierungen zur Bildung einer neuen Regierung geht. In dieser Funktion kann er auf die Frage, ob er einen Kanzler Armin Laschet wolle, eigentlich nur mit einem klaren Ja antworten. Was denn sonst?

 

Norbert Röttgen ist zugleich auch ein Ex-Kandidat für den CDU-Vorsitz. In diesem Wettbewerb hat er bekanntlich gegen jenen Armin Laschet verloren. Zudem ist der gerne distinguiert-staatsmännisch auftretende Röttgen dem jovialen Rheinländer Laschet nach manchen Scharmützeln in der NRW-CDU keineswegs zugetan. Mit anderen Worten: Wenn einer Laschet nicht im Kanzleramt sehen will, dann Röttgen – vom CSU-Chef Markus Söder mal abgesehen.

 

Was macht man aber, wenn man als CDU-Präside bei „Anne Will“ nach Laschet gefragt wird? Man schwafelt herum – in wohlgesetzten, aber inhaltslosen Formulierungen. Das klingt dann so: Da die CDU keinen Regierungsanspruch habe, verbiete es der Respekt vor dem Wahlergebnis, „zu sagen, wir wollen, dass unser Kandidat Kanzler wird.“ Und: „In unserem Land geht es überhaupt nicht darum, wer Kanzler wird. Wir haben gewaltige Probleme. Es geht auch um den Kanzler, aber bei Weitem nicht nur um den Kanzler!“

 

Röttgens Schwurbelei in dieser Sendung war die Krönung eines Wochenendes, in dem die vom Wähler auf Platz zwei verwiesene CDU/CSU ernsthafte Zweifel an ihrer Handlungsfähigkeit weckte oder bestärkte. Wenn man kaum in der Lage ist, einen Termin für ein erstes Gespräch mit der FDP zu finden, weil CSU-Chef Söder bayerische Termine wichtiger sind, liegt die Frage nahe, wozu die Union denn überhaupt noch fähig ist.

 

Zum Desaster der Union haben viele beigetragen

 

Zum Wahldesaster vom 26. September haben viele beigetragen, nicht nur der Kanzlerkandidat mit seinen Fehlern, sondern auch der CSU-Vorsitzende mit seinen Schmutzeleien. Hinzu kam noch eine ebenso schlicht wie schlecht gemachte Kampagne. Das Ergebnis: Die Union hat nur noch eine minimale Chance, mit Grünen und FDP eine Jamaika-Koalition zu bilden. Die letzte Hoffnung beruht nicht zuletzt auf den guten Beziehungen Laschets zum FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, schließlich haben beide vor mehr als vier Jahren das schwarz-gelbe Bündnis in Nordrhein-Westfalen zustande gebracht. Doch was tun die Unionisten? Sie machen den eigenen Kanzlerkandidaten so schlecht, dass man sich bei der Freien Demokraten ernsthaft fragt, ob man mit dieser CDU/CSU noch Staat machen kann.

 

Was brächte ein schnelle Rückzug Laschets?

 

Der FDP-Wahlkampfslogan „So wie es ist, kann es nicht bleiben“ passt haargenau auf die Lage der auf 24 Prozent geschrumpften Union. Aber irgendwie scheinen die Röttgens, Spahns und Söders zu meinen, auf einen schnellen Rückzug Laschets hinzuarbeiten, wäre schon Teil einer Lösung. Und dann?

 

Dann müsste zunächst einmal einer aus der Riege der Laschet-Stellvertreter – Volker Bouffier, Silvia Breher, Julia Klöckner, Jens Spahn und Thomas Strobl – interimistisch den Vorsitz übernehmen und einen Sonderparteitag vorbereiten, eventuell mit einer vorgeschalteten Mitgliederbefragung. Und das soll dann parallel zu Gesprächen mit Grünen und FDP erfolgen, in denen die CDU ohne klare Nummer eins und die Union ohne Kanzlerkandidaten dastehen? Eine groteske Vorstellung.

 

Eine Woche nach der Wahl präsentieren sich CDU und CSU in einem Zustand, als stünde auf ihrem Spielplan das Stück „Ein Käfig voller Narren“. Hinterher weiß jeder, was falsch gelaufen ist. Und keiner der lautstarken Kritiker hat eine praktikable Lösung parat, wie man jetzt kurzfristig dreierlei miteinander verbinden könnte: Laschet stürzen oder zum Rückzug bewegen, ein Jamaika-Bündnis schmieden und einen Unions-Politiker zum Kanzler zu machen. Aber halt, da sollte man nicht vergessen, was Röttgen als neue Parole ausgegeben hat: „In unserem Land geht es überhaupt nicht darum, wer Kanzler wird.“ Wenn das so ist, braucht die CDU/CSU jetzt und in Zukunft gar keinen Kanzlerkandidaten mehr. Vielleicht braucht das Land auch keine Union mehr.

 

Unser Gastautor

Dr. Hugo Müller-Vogg, ehemaliger F.A.Z.-Herausgeber, zählt zu den erfahrenen Beobachtern des Berliner Politikbetriebes. Als Publizist und Autor zahlreicher Bücher analysiert und kommentiert er Politik und Gesellschaft. Www.hugo-mueller-vogg.de und www.facebook.com/mueller-vogg

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