Von Michael Lehner
Bei Peter Wohllebens letztem „Waldgipfel“ war Platz für extreme
Positionen: Richtig gut geht es dem Wald demnach, wenn der Mensch auf
Waldnutzung verzichtet. Kein Holz um Dachstühle oder gar ganze
Häuser zu bauen. Obwohl diese gerade in der Öko-Szene als besonders
wertvoll gelten. Brennholz schon gar nicht, obwohl Holz im Gegensatz
zu Gas und Heizöl ein nachwachsender Rohstoff ist.
Die Theorie hinter dem Totalverzicht klingt logisch: Intakte Natur
braucht auch den „sterbenden“ Wald. Er sorgt dafür, dass sich neuer Mutterboden bildet. Er macht Platz für allerlei Zwischenvegetation und fördert Artenvielfalt. Zum Ende gedacht, wird so sogar der Borkenkäfer zum Freund des Försters. Denn er sorgt für Totholz – wie Stürme und Schneebruch oder die Dürre ungewöhnlich heißer Sommer.
Investment für Generationen
Wir ahnen: An solchem Wald lässt sich kein Geld verdienen. Dumm für
Leute, die sich in Zeiten der Negativ-Zinsen auf Agrarland stürzen.
Und ganz dumm für Spekulanten, die den Holzpreis momentan in
ungeahnte Höhen treiben. Der Weltmarkt giert nach einem Rohstoff,
der im Klimawandel nicht mehr so recht nachwachsen will. In Gefahr
gerät damit auch die gute Tradition, Forstwirtschaft als generationenübergreifendes Investment zu verstehen.
Auf der Strecke bleibt dabei zudem die Einsicht, dass der Mensch
dauerhaft nur schützt, was ihm auch nützt. Und dass bei angespannter Kassenlage kaum staatliche Gelder übrigbleiben dürften für forstliche Experimente der oben beschriebenen Art. Eher wird sich die Einsicht durchsetzen, dass Wald auch dann dem Klima nützt, wenn er Rendite bringt. Schließlich ist es seit Jahrzehnten gerade die öffentliche Hand, die von ihren Forstverwaltungen Gewinndenken einfordert.
Bauholz als Kohlendioxid-Speicher
Ökologisch hat das Thema obendrein zwei Seiten: Auch natürlich vermodernde „Baumleichen“ setzen Kohlendioxid frei. Im Gegensatz zu Bauholz, das dieses über viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte speichert.
Folgerichtig gibt es die These, dass Holzhäuser ökologisch das
Gebot der Stunde seien. Auch wegen ihrer guten Heizenergiebilanz –
ganz ohne künstliche Dämmstoffe, die bei Produktion und späterer
Entsorgung für weitere Umweltbelastung sorgen.
So gerät ein über Jahrtausende von Menschen geschaffener
Materialkreislauf ins Gerede. Trotz guter Energiebilanzen auch in der
traditionellen Forstwirtschaft. Trotz vielfacher Nachweise, dass im
Nutzwald auch die Artenvielfalt so schlecht nicht ist, wie es
verengter Öko-Blick vermuten ließe. Und trotz der wachsenden
Bereitschaft zum umweltgerechten Waldumbau – gerade auch im
Privatwald.
Dass die Prediger der reinen Naturlehre auf dem Holzweg
sein dürften, wird zudem klar: Wenn Wälder helfen, den Klimawandel
zu bremsen, wäre es Gebot der Stunde, jeden einzelnen Baum zu
retten. Aber nicht die Zeit für Totholz-Experimente und Urwald-Träume.
Riskante Experimente
Wie der Energiepflanzen-Anbau für Insektensterben und explosionsartige
Wildschweinvermehrung mit hohem Seuchenrisiko sorgt, birgt auch die
forstliche Experimentierfreude Risiken. Vor allem jenes Risiko, dass
am Ende weder die traditionellen Nutzwälder überleben, noch die
Bäume der neuen Naturwälder in den Himmel wachsen. Und die nächsten Artenschutzprogramme aufgelegt werden. Diesmal für Rehe und Hirsche, die zum natürlichen Feind des naturnahen Waldbaus erklärt wurden, als der Wald noch mit etwas Realitätssinn zu retten war.