FDP for future: Deshalb wählten Erstwähler Liberale

 

Von Christian Urlage

 

Viele Beobachter hat es erstaunt, dass 23 Prozent der Erstwähler bei der Bundestagswahl für die Liberalen stimmten. Damit schnitt die FDP sogar leicht besser ab als die Grünen, die 22 Prozent erhielten. Den Trierer Parteienforscher Uwe Jun überraschte die Beliebtheit der Liberalen aber nicht, wie er dem „Weser-Kurier“ sagte. Schon 2017 habe die FDP bei den Jungwählern gepunktet, seit Monaten hätten Politikwissenschaftler die Entwicklung verfolgt. Für den bekannten Jugendforscher Klaus Hurrelmann kam das Abstimmungsverhalten der 18- bis 24-Jährigen hingegen unerwartet.

 

Schaut man genauer hin, lassen sich ein halbes Dutzend Gründe ausmachen für den Höhenflug der Liberalen bei den jungen Erwachsenen. So ist die FDP in den sozialen Netzwerken sehr präsent, mit einer hohen Reichweite dank bezahlter Postings und Videoclips mit hunderttausenden Views. Tiktok und Instagram sind ihr bestens vertraut – und Christian Lindner ist stärker vertreten als andere. Der Parteichef und seine Mitstreiter erscheinen als moderne, attraktive Politiker.

 

In der Digitalpolitik „den Turbo zünden“

 

Digitalpolitik spielt für die Partei eine Schlüsselrolle, sie fordert dafür ein eigenes Ministerium. Die Regierung müsse bei der Digitalisierung „den Turbo zünden“, verlangt die FDP, und sie wirkt glaubwürdig, weil sie das Thema länger besetzt als andere.

 

Ausgezahlt hat sich offenbar auch der Einsatz für die Freiheit. Nicht nur Jugendforscher Hurrelmann vermutet, dass die jüngere Generation damit auf den Corona-Lockdown reagierte, denn durch die Einschränkungen fühlten sich Teens und Twens benachteiligt. Schüler und Studenten mussten sich stark disziplinieren, obwohl das Virus weniger bedrohlich für sie war als für Ältere. Im Bundestag war die FDP die demokratische Partei, die sich am ehesten für Lockerungen einsetzte. Dass sie die Freigabe von Cannabis und ein Wahlrecht ab 16 befürwortet, dürfte ebenfalls ihre Beliebtheitswerte unter Erstwählern gesteigert haben.

 

Gezielt setzte die FDP darauf, junge Menschen zu gewinnen, weil sie in ihrer Parteibindung oft noch nicht festgelegt sind. Das ist gelungen. Wie nachhaltig das ist, muss sich aber erst zeigen. Doch wenn die Liberalen, wonach es aussieht, im Bund an die Regierung kommen, können heutige Erstwähler bald überprüfen, wie sie ihre Ziele umsetzen.

 

CDU und SPD haben Nachholbedarf

 

Die bisherigen Koalitionsparteien landeten bei den Erstwählern nur im Mittelfeld – die SPD bekam schlappe 15 Prozent, die Union nur zehn Prozent. In ihrem Auftreten wirken sie auf Jüngere uncool, bei Tiktok fremdeln sie und ihre Digitalpolitik war bisher wenig überzeugend. Sozial- und Christdemokraten haben folglich dringenden Nachholbedarf, wenn sie zukunftsfähig bleiben wollen.

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