Die Union und ihre Polarisierer

 

Von Jost Springensguth

 

Es kommt wie es kommen musste: nach diesem Ergebnis brist in der CDU der Gegenwind auf. Dieses Bild passt allein schon deshalb, weil er gerade von der Küste her besonders heftig bläst. In Schleswig-Holstein formiert sich offensichtlich organisierter Widerstand gegen Armin Laschet. Die Schlagzeile der größten Zeitungsgruppe im Norden mit den Titeln des SHZ von Flensburg über Sylt bis Pinneberg im Hamburger Umland beschreibt die Stimmung kurz und knapp: „Laschet frustriert die Nord-CDU“. Und die Kieler Nachrichten schreiben „Die CDU redet Tacheles“

 

Dabei hatte Ministerpräsident Daniel Günther seinem Parteifreund und Amtskollegen in Nordrhein-Westfalen auch gegen Widerstände - etwa aus dem Hamburger Umland - im eigenen Landesverband die Stange gehalten und Laschets Kandidatur unterstützt. Er fordert jetzt auch nicht den Rücktritt vom Parteivorsitz. Aber: Der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Tobias Koch, rebelliert ebenso offen wie der Außenpolitiker Johann Wadephul (Rendsburg) und die Mittelstandsvereinigung. Da fallen Zitate wie „Stockfehler im Wahlkampf“ (Koch), „Laschet war ein Grund, uns nicht zu wählen“ (Wadephul) oder offene Rücktrittsforderungen. Und der Ministerpräsident kann sich der Kritik mit Blick auf seine eigene Landtagswahl im Mai nicht verschließen. Er kommt zum Ergebnis: Da helfe nur sein eigener Amtsbonus.

 

Warum innerhalb der Union der Sturm besonders heftig aus dem Norden bläst, hat offensichtlich diesen Grund: hier hat das Minus bei der Bundestagswahl besonders heftig eingeschlagen. 12 Prozent lag es unter dem Zweitstimmen-Ergebnis gegenüber der vorherigen Bundestagswahl. Damit ist nur in Mecklenburg-Vorpommern der Verlust mit 15,6 Prozent noch schlimmer ausgefallen. Im Norden waren es Habeck und die erstmals für den Bundestag kandidierenden Deutsch-Dänen vom SSW, die die Union nach unten gerissen haben; im Hamburger Umland mit ebenfalls schweren CDU-Einbrüchen war es wohl die Ausstrahlung des ehemaligen Ersten Bürgermeisters der Hansestadt und Spitzenkandidaten der SPD Olaf Scholz.

 

Klagen über Kompetenzverluste

 

Bei dieser Betrachtung wird klar, dass das Rumoren innerhalb der CDU mit Laschet-Rücktrittsforderungen nicht nur aus Sachsen und Thüringen kommt, sondern auch aus dem Norden. Dagegen sind die Einzelstimmen - meist aus den hinteren Reihen und aus anderen Landesparteien der CDU - relativ marginal. Überall wird der Kompetenzverlust der CDU beklagt – beispielsweise in der inneren Sicherheit, der Wirtschaftspolitik und mit Blick nach rechts in der Zuwanderungspolitik.

 

Halten der Parteivorsitzende und die Union das aus? Söder gratuliert Scholz und gibt Gas. Laschet spielt auf Zeit und setzt auf sein Durchhaltevermögen. Das ist insgesamt ein riskanter Kurs, der darauf setzt, dass Grüne und Liberale sich zwar verständigen, der dann folgende Versuch, sich mit der SPD ins Boot zu setzen, dann doch scheitert. Dann wäre die Union wieder im Spiel – aber in welchem? Die Haltbarkeit des Burgfriedens mit Markus Söder und seinem unberechenbaren Generalsekretär ist so wackelig wie schon nach der strittigen Kandidatenkür innerhalb der Union. Daraus ergibt sich die nächste Frage nach der Verhandlungsfähigkeit des CSU-Vorsitzenden, falls der Jamaika-Flirt nicht zur Koalition unter Scholz führt.

 

In acht Monaten die nächsten Wahlen

 

Die Zeit der Unsicherheit innerhalb der Union sollte endlich sein. Am 15. Mai, also in gut acht Monaten, sind die nächsten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein (mit der oben zitierten Ausgangslage) und in Nordrhein-Westfalen, wo gerade die Nachfolge von Armin Laschet sortiert wird. Der dort folgende Ministerpräsident und designierte Landesvorsitzende wird wahrscheinlich Hendrik Wüst heißen – jung und als Verkehrsminister trotzdem erfahren. Er steht wie Daniel Günther im Norden vor der Aufgabe, für Geschlossenheit im eigenen Landesverband zu sorgen. Gelingt beiden das nicht, werden in Kiel und Düsseldorf die nächsten Scherbenhaufen zusammenzukehren sein.

 

Die Union muss damit nicht nur in Berlin einen verlässlichen Ausweg aus einer prekären Lage finden, sondern überall in der Republik. In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt hat die CDU erst einmal sichere Plätze auf den Regierungsbänken. In Rheinland-Pfalz hat sie länger Zeit, sich nach dem Abgang von Julia Klöckner in der Opposition neu zu sortieren. Die CDU Niedersachsen hält sich mit Bernd Althusmann aktuell bedeckt und hat aber die Wahl im Herbst nächsten Jahres vor sich. Im Jahr darauf folgen Bayern und Hessen, wo dann Markus Söder mit der CSU zeigen muss, was er wirklich kann und Volker Bouffier wohl vorher einen Nachfolger aufbauen muss. Wie sich die CDU in Thüringen, Sachsen und Brandenburg entwickelt, hängt auch von der Stärke des Parteivorsitzenden in Berlin ab. Das sieht mit dem teilweise offenen Widerstand dort gegen Armin Laschet nicht gut aus.

 

Diesen Blick auf die Gesamtperspektive kann die Union nicht ausblenden, wenn es um die Alternative „Neuanfang“ oder „Weiter-So“ geht. Der enge Zusammenhang zwischen der Union im Bund und in den Ländern gehört zum Blick auf die mittel- und langfristigen Perspektiven von CDU und CSU. Die bisherige Stärke war das politische Wirken für den Zusammenhalt der Gesellschaft.

 

Da muss also wieder etwas zusammenlaufen, was in den letzten Jahren offensichtlich auseinandergefallen ist. Das wäre die Grundlage für die Zukunft als Volkspartei. Das Stimmengewirr unterschiedlicher Interessen in den einzelnen Ländern, im Bund oder beidem im Zusammenhang, läuft dem derzeit stark entgegen. Dabei geht es nicht um Laschet, sondern um das, was man ihm eigentlich zugetraut hat. Er mag noch so gut sein, unterschiedliche Charaktere und Interessen wie etwa in NRW zusammenzuführen. Die Polarisierer in den eigenen Reihen und deren medialen Verstärker haben ihm letztlich keine Chance gegeben. 

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