Stefan Weil - der Zwilling von Olaf Scholz

 

Von Christian Urlage

 

Wahrscheinlich geht es in der rot-schwarzen Koalition in Hannover nach der Bundestagswahl weniger harmonisch als vorher zu. Denn danach wollen sich die Regierungsparteien profilieren und für die niedersächsische Landtagswahl im Herbst 2022 warmlaufen. Einen kleinen Vorgeschmack lieferte jetzt bereits die Debatte um den Doppelhaushalt für 2022 und 2023: Da applaudierten die Abgeordneten von SPD und CDU fast nur bei Reden der eigenen Parteifreunde. Und sie lobten allein die Tätigkeit ihrer eigenen Minister.

 

In einem Jahr tritt der langjährige Ministerpräsident Stephan Weil erneut für die SPD an und hat gute Chancen auf eine Wiederwahl. Seit 2013 regiert er Niedersachsen, und im Mai haben ihn die Parteigenossen mit dem Traumergebnis von 96,95 Prozent als Landesvorsitzenden bestätigt. Weil hat schon angekündigt, dass ihm eine rot-grüne Koalition lieber wäre als die jetzige rot-schwarze. Zwar hat es bisher kaum geknirscht in der mit jeweils fünf Ministern besetzten Landesregierung – dennoch sind SPD und CDU in Hannover nach den Wahlen von 2017 keine Liebesheirat eingegangen.

 

Rotgrün konnte sich zuvor nur auf die Mehrheit einer Stimme stützen, ehe die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten die Fraktion wechselte und es zu vorgezogenen Neuwahlen kam. Für die Fortsetzung des Bündnisses von Sozialdemokraten und Grünen hätte es dann nicht mehr gereicht.

 

Ruhiger Politikstil

 

Weil ist 62 Jahre alt und nur wenige Monate jünger als Olaf Scholz. Beiden norddeutschen Sozialdemokraten ist gemeinsam, dass sie zunächst als spröde, blass und langweilig galten. Alles Eigenschaften, die inzwischen positiv interpretiert werden, so dass ihr ruhiger, unaufgeregter, zurückhaltender Politikstil gelobt wird. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie als Anwälte gearbeitet und dann als Oberbürgermeister regiert haben – Scholz in Hamburg, Weil in Hannover –, und dass sie als Hoffnungsträger der SPD gelten. Tatsächlich wäre Weil ebenso ministrabel in Berlin wie sein erfahrener, pragmatisch agierender SPD-Innenminister Boris Pistorius.

 

Doch im Unterschied zum Kanzlerkandidaten Scholz zieht es Weil nicht in die Bundespolitik, wie der Hannoveraner immer wieder in Interviews bekräftigt. Stattdessen regiert er lieber bodenständig in Niedersachsen, das von der Fläche größer ist als die Niederlande. Noch profitiert die Landesregierung davon, dass SPD und CDU sowohl in Niedersachsen als auch im Bund regieren. Diese Übereinstimmung hat viele Absprachen erleichtert. Damit könnte es aber nach der Bundestagswahl vorbei sein.

 

Freund der Autoindustrie

 

Wie sein Vorgänger Gerhard Schröder macht sich Stephan Weil für die Autolobby stark, was auch an der enormen Bedeutung des VW-Konzerns für Niedersachsen liegt: Das Automobilunternehmen beschäftigt rund 120.00 Mitarbeiter und zahlt hohe Summen an Gewerbesteuer. Im Kontakt mit dem Autobauer ist Weil einer seiner größten Patzer unterlaufen, als er eine Regierungserklärung zur Abgas-Affäre vorab nach Wolfsburg schickte, wo der VW-Vorstand seine Rede aufhübschte. Langfristig geschadet hat ihm dieser Fehler aber nicht.

 

 

Im Aufsichtsrat von VW trifft der Ministerpräsident auf Wirtschaftsminister Bernd Althusmann, der die Niedersachsen-CDU anführt. Der stellvertretende Regierungschef gilt als starker Mann seiner Partei, liegt aber beim Bekanntheitsgrad und in der Popularität weit hinter Weil zurück.

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