Hauptsache egal?

 

Von Wolfgang Molitor

 

Wenn an diesem Sonntag endlich gewählt ist, dürfte vielen Bürgern die Wahlurne wie eine Lostrommel vorkommen. Denn nur eines ist am späten Abend wohl sicher: Wie viele Prozente haben die einzelnen Parteien gewonnen, wie viele Abgeordnete werden sie voraussichtlich in den neuen Bundestag schicken können. Unsicher ist jedoch eines, und das wohl über viele Wochen hinweg: was die Gewinner und Zugewinner, die Gerupften und Geschlagenen mit dem Ergebnis und dem vermeintlichen Wählerwillen anzufangen gedenken.

 

Ansonsten startet spätestens am kommenden Montag die Koalitionslotterie. Selten zuvor haben nahezu alle regierungsfähigen Parteien die Wähler im Unklaren darüber gelassen, was sie mit deren Stimmen anstellen werden.  Das liegt zum einen daran, dass es voraussichtlich eine Dreierkoalition (falls die CSU mit am Kabinettstisch Platz nehmen darf, sogar eine Viererkoalition) geben dürfte. In mehr oder weniger schrillen oder trendigen Farbkombinationen. Und die wollen in mehr als nur einem Fall erst noch gefunden werden. Und dann einfach erklärt und kompliziert begründet. Zum anderen hat dieser Wahlkampf alles daran gesetzt, den ratlosen Wählern zwar dezente Vorlieben anzudienen, aber nicht wirklich ehrliche Absichten publik zu machen.

 

Großes Koalitionspuzzle

 

Wen auch immer man fragte zum großen Koalitionspuzzle, die Antwort war: Hauptsache, wir kommen heil aus dieser Wahl heraus. Alles andere ist uns egal. Zwei Partner werden dann schon zu finden sein. Die Jamaika-Schwarzen schielen zu den Gelben und Grünen, die Ampel-Roten auch. Der schwarz-rot-gelbe Deutschland-Pakt ist nicht ganz vom Tisch, auch wenn die Reihenfolge der Farben von der Fahne geht. Und die Dunkelroten? Sie wanzen sich an Grüne und Hellrote heran. 

 

Was bedeutet: Der Wähler gibt Parteien seine Stimme in blindem Vertrauen, ihn nicht zu hintergehen. Ihr ureigenes Süppchen frech in der vagen Hoffnung zu kochen, dass ihre Anhänger diese mäßig erregt und aufgebracht schon auslöffeln werden. Sich mit dem kleinsten Übel zufriedenzugeben. Denn dort, wo einst mehr oder weniger klare Abgrenzung gefragt war, herrscht schwammiges Abwarten. Interpretationsspielraum ersetzt programmatische Kante. Das Aber-Motto heißt „Wir wollen dieses und jenes nicht“. Und am Ende soll der Wähler dann selbst schuld daran sein, weil er, der verunsicherte Souverän, nicht für souveräne Verhältnisse und belastbare Gemeinsamkeiten gesorgt hat. Also übt man, Türen offenzulassen.

 

FDP nach vielen Seiten offen

 

Vor allem die FDP hat in langen Jahren gelernt, in der Mitte nach vielen Seiten offen zu bleiben.  Im jüngsten Wahlaufruf heißt es folglich über Koalitionen, die FDP trete nur in eine Regierung ein, „die auf die Herausforderungen unserer Zeit mit dem Vertrauen auf Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Europa antwortet“. Klarer kann man sich nicht positionieren, um hochflexibel zu bleiben und nicht zum zweiten Mal hintereinander eine Regierungsverantwortung auszuschlagen. Nur eine GroKo dürfte es nicht mehr geben. Weil SPD-Vize Kevin Kühnert damit droht, sonst zurückzutreten. Aber vielleicht ist am Ende auch das egal.

 

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