Mit Influencern zum Erfolg

 

Von Henning Röhl

 

Es ist schon einige Jahre her: Ein Freund erzählte mir von seiner 17-jährigen Tochter. Sie esse vegan, koche vegan und stelle ihre eigenen Kreationen wöchentlich ins Netz. Binnen weniger Monate wurde sie so zur Influencerin, hatte einige zig-tausend Follower – Neugierige und Gleichgesinnte, die ihre Rezepte nachkochten. Die einschlägige Industrie sei auf sie aufmerksam geworden, und die Musterpakete sprudelten ins Haus. Bis die junge Dame das Interesse verlor und sich anderen Netzaktivitäten zuwandte.

 

Die Schülerin aus Bonn ist beileibe kein Einzelfall mehr: Eine neue – oder schon längst nicht mehr so neue – Spezies von Web-Erzählern tummelt sich im Netz. Sie sind Nachrichtenüberbringer und Plauderer, Informanten und Werbebotschafter, lebende Litfaßsäulen, politische Prediger oder geheime Verführer. Sie erscheinen vor allem auf Instagram und Facebook, TikTok und natürlich auf YouTube. Hier beginnen Trends, hier findest du die angesagtesten Videos, sagt diese Community von sich.

 

Werbung kenntlich machen

 

Auch bei ihnen gilt die Trennung von Information und Werbung, Werbebotschaften müssen kenntlich gemacht werden, aber der BGH hat es ihnen kürzlich ein wenig leichter gemacht. Werden nur Fotos von Produkten gebracht, können die ansonsten vorgeschriebenen Werbehinweise unterbleiben. Doch mit oder ohne Werbelogo: die Branche boomt. Als Folge werden Werbeetats - häufig zulasten des Printbereichs - umgeschichtet und ein Spezialist für Online-Werbung, die Agentur OMR, stellt fest: Das Influencer-Marketing gehört seit einigen Jahren in den Marketing-Mix vieler Brands.

 

Immer mehr Markenartikler setzen auf solche Botschafter und noch mehr Botschafterinnen, weil sie die Zielgruppen genau treffen, weil sie als jemand, der dazugehört, empfunden werden und dementsprechend glaubwürdig sind.

 Die weltweite Influencer-Szene ist nahezu unübersehbar. Zu ihr gehören Stars, Musiker, Schauspieler und andere Red-Carpet-Größen, vor allem aber Fußballgrößen. Auf Rasen und im Netz gleichermaßen Superstar ist Christiano Ronaldo. Ihm sollen auf Instagram mittlerweile 400 Millionen Fans folgen. Die Einblicke in sein Weltstarleben sind mit Werbespots garniert. Ein Spot auf seinem Account kostet stattliche 1,6 Millionen Dollar.  Zu den Beliebtesten dieser Kategorie gehört auch Toni Kroos mit über 28 Millionen Internet-Abonnenten.

 

Teilweise Millionen-Einkommen

 

Die Netzgrößten rekrutieren mittlerweile einen beträchtlichen Teil ihrer jährlichen zig-Millionen Einkommen über soziale Medien. Weltweit soll es über 400 Millionen Influencer geben, und etwa vier Prozent von ihnen können zumeist gut davon leben.

 

Im Folgenden soll nicht von diesen Kick-, Pop- und anderen Stars, die die Influencer-Szene beherrschen, die Rede sein, sondern von jungen Menschen, die sich weniger spektakulär, aber trotzdem nicht erfolglos im Netz bewegen. Julia Nissen zum Beispiel, 34 Jahre alt und studierte Landwirtin. Sie wohnt mit Mann und drei kleinen Kindern in Nordfriesland in einem Dorf unweit der Grenze zu Dänemark. Als Deichdeern  (deichdeern.com) erzählt sie im eigenen Blog und auf Instragram von ihrem Landfrau- und Mutter-Alltag, berichtet über die Probleme der Landwirtschaft von heute, macht schon mal Werbung für bestimmte Läden und Geschäfte oder erzählt über Maschinenpark und GPS-Einsatz in der Landwirtschaft. Mit einer App ermöglicht sie Interessierten Landerlebnisse wie Treckerfahren und Stallbesuche. Sie verdient sich mehr als nur ein kleines Zubrot. Auf der Grünen Woche 2020 wurde sie als Influencerin mit dem Digital Future Award ausgezeichnet. Weitere öffentliche Auftritte, etwa im Programm des NDR, haben für einen ziemlich hohen Bekanntheitsgrad gesorgt.

 

Berichte vom Bauernhof

 

Direkt aus ihrem Stall vom Hof Hueske im Münsterland meldet sich regelmäßig Bäuerin Bettina. „Landwirtschaft ist eine Branche, auf die man Bock haben muss“, sagte die junge Bäuerin. Sie erzählt von ihrer Arbeit mit den Tieren, wirbt auch um Verständnis für die Not der Bauern und versucht mit vielen Vorurteilen aufzuräumen. Auf Instagram folgen ihr mittlerweile fast 20.000 Interessierte.

 

Ein Foto von sich selbst mit der Aufschrift Ich bin Landwirtin stellt Martina van Aukönig auf ihren Account. Auch sie gehört zu den Agrar-Influencerinnen mit nahezu 20.000 Followern auf Instagram. In Wirklichkeit heißt sie Martina Hopf (29), ist Landwirtschaftsmeisterin, bewirtschaftet einen Hof in Österreich und liebt es zusammen mit ihren Kühen zu posieren, wobei der Betrachter nicht weiß, wo zuerst hinsehen, auf die junge Dame oder ihre ebenfalls fotogenen Kühe – und das Ganze 850 Meter über dem Meeresspiegel.

 

Landwirtschaft ist cool, Landleben macht Spaß, so lautet die Web-Botschaft dieser Erzählerinnen vom Land. Es geht ihnen dabei nicht nur um die Sache, sondern auch viel um sich selbst. Sie zeigen sich in immer neuen Positionen und Umgebungen.  Antrieb von vielen Selbstdarstellern im Netz, die sich selbst als Influencer bezeichnen, ist auch eine gewisse Zeigelust. Sie folgen dem uralten Erfolgsrezept – nichts ist für die Leute interessanter als die Leut‘ - und haben mit dieser Mischung aus Information, Marketing und Selbstdarstellung zumeist beträchtlichen Erfolg. Wobei insbesondere der Blick ins eigene Milieu für Authentizität sorgt.

 

Missionarischer Eifer

 

Einer von denen, der mit eigenem Video-Kanal auf YouTube ein – vor allem junges - Millionenpublikum erreicht, nennt sich Rezo. Aus seinem privaten Hintergrund macht er ein Geheimnis. Er ist wohl auch nicht mehr ganz so jung, wie er sich gibt. Er soll aus einem Pastorenhaushalt stammen, wo ihm als Kind eine Menge an missionarischem Eifer in die Suppe geschüttet wurde.  Es ist kein rhetorisches Feuerwerk, was er atemlos abspult. Es gleicht eher einem rhetorischen Maschinengewehr. Seine Feindbilder findet er vor allem in den Noch-Regierungsparteien, besonders in der Union. Nach seiner dezidierten Meinung habe die vor allem in Kumpanei mit der Wirtschaft viele Chancen zur Klimawende verpasst. Auch Rezo kann von seinen Auftritten mehr als nur gut leben.

 

Er ist einseitig und undifferenziert, kommt aber an. Sein erstes Video über die Zerstörung der CDU – 2019 rechtzeitig zur Europawahl in die Welt gesetzt, sorgte für viel Aufsehen. Die Union bekam keine Reaktion zustande. Sein nächstes Polit-Video jetzt vor der Bundestagswahl ist nicht minder angriffslustig, hat auch wieder ein Millionenpublikum gefunden, fand aber längst nicht mehr das Medienecho wie vor zwei Jahren. Wiederum gibt es keine direkte Reaktion. Sicher zu Recht, denn auf derartig polemische Rechthaberei kann man kaum mit Argumenten parieren.

 

Vieles dem Zufall überlassen

 

Einige Beispiele über Influencing im Netz haben einen Einblick in erweiterte Informations-, Marketing-, Verkaufs- und sicher auch Agitationsmöglichkeiten vermittelt. Wir haben zwar mittlerweile einige Regelungen für das Netz-Geschehen, aber Vieles ist auch noch dem Zufall und der persönlichen Initiative überlassen. Influencer haben eine stetig wachsende „Gemeinde“, doch so ganz genau weiß die Mehrheit der Deutschen immer noch nicht, wie sie mit dem Wandel in der Informations- und Werbegesellschaft umgehen soll. 

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