Wahlkampf ohne Bierzelt

 

Von Michael Lehner

 

Corona verdrängt den Wahlkampf aus dem Bierzelt ins Internet. Das schadet vor allem der CSU. Und lässt die AfD überlebensgroß erscheinen – wie jetzt beim niederbayerischen Gillamoos-Politikspektakel in Abensberg. Das ist dort alljährlich Anfang September der Jahrmarkt der Hallertau mit dem traditionell Politischen Montag in den Bierzelten.

 

Das böse Fastenpredigen beim Passauer Aschermittwoch, das Derblecken zum Starkbieranstich auf dem Münchner Nockherberg und auch der Gillamoos: Bisher alles eher Heimspiele für die CSU. Traditionell wird gezählt, wer die meisten Schlachtenbummler in Hallen und Bierzelte holt. Und wer die meisten Lacher auf seiner Seite hat. Diesmal beschränkt Corona den Zulauf – und damit die Stimmung.

 

Platzhirsch Markus Söder wettert beim Gillamoos heuer vor 500 Schlachtenbummlern gegen die Gefahr einer Bundesregierung unter dem Einfluss der Linkspartei. Vor einem „Mount Everest an Schulden“ und vor Grünen, die das Land nach seinem Eindruck als Verbotspartei zurück in die Steinzeit führen.

 

In anderen Jahren hätten solche Kraftworte schnell die Runde gemacht an den Stammtischen der Region. Aus dem Mund von Augenzeugen, nicht mit ein paar Sätzen in den Fernsehnachrichten. Erwin Huber, Interims-Parteichef der CSU, hat vor Jahren die „Lufthoheit über den Stammtischen“ reklamiert. Auch diese ist nicht mehr das, was sie mal war.

 

Das Internet nicht nur als bayerisches Problem

 

Nicht nur ein bayerisches Problem: Währen die meisten Zeitungen und das Staatsfernsehen der chancengerechten Sendezeit-Verteilung frönen, folgt das Internet eher undurchsichtigen Regeln. Und mit denen weiß ausgerechnet die in Bayern heillos zerstrittene AfD offenkundig geschickter umzugehen als die etablierte Konkurrenz. Nicht nur aktuell mit den Gillamoos-Botschaften, sondern schon länger. Facebook-Nutzer wundern sich über massenhaft rechte Botschaften im angeblich nach persönlichen Interessen zugeschnittenen Angebot der virtuellen Meinungsmacher.

 

Immerhin hat Söder noch den Heimvorteil, dass sein Juniorpartner Sendezeit beisteuert. Hubert Aiwanger von den Freien Wählern ist gut präsent im virtuellen Bierzelt. Nicht nur, weil er die Sprache eines Eingeborenen spricht, sondern auch deshalb, weil er die CDU und ihren Kanzlerkandidaten nicht so schonen muss wie sein Regierungschef. Bei der Wahl „zwischen Faschingsprinz, Schlumpf und Kobold“, sei jede Stimme für die Freien Wähler eine Stimme gegen die „Weltuntergangsstimmung“ der größeren Parteien.

 

Wie schon immer lässt Aiwanger auch in diesem Wahlkampf gern „die Sau raus“, wie er selbst formulieren würde. Er hat nämlich selber welche, ist ein Exemplar der aussterbenden Sorte „Stolzer Bauer“. Klammheimlich wird er dafür sogar in der CSU gelobt, die zum Nährstand unter einer zunehmend offenen Flanke leidet. Und im Gegensatz zur FDP lassen die Freien Wähler keine Zweifel am Wunschpartner aufkommen: Seine Partei, sagt Aiwanger gern, sei dazu da, dass die Schwarzen auf dem Teppich bleiben. Und womöglich auch an der Regierung.

Das versucht er nun mit seinen freien Wählern zur Bundestagswahl auch von München nach Berlin zu übertragen. 

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