Olaf Scholz fordert, was der SPD fehlt: Respekt

 

Von Hugo Müller-Vogg

 

Ob sich die SPD demnächst in RPD umbenennen wird – in Respektpartei Deutschlands? In Reden und Interviews des Kanzlerkandidaten wie in Wahlspots: Überall wird Respekt gefordert oder versprochen. Auf den Wahlplakaten wird „Respekt für Dich“ propagiert. Im Wahlprogramm kommt Respekt doppelt so häufig vor wie gerecht und Gerechtigkeit. Und Olaf Scholz will im Kanzleramt eine „energische Politik des Respekts“ verfolgen.

 

In der von der SPD verheißenen neuen „Gesellschaft des Respekts“ sollen vor allem diejenigen die Nutznießer sein, die der Partei in den vergangenen Wahlen scharenweise den Rücken gekehrt haben: Pflegekräfte, Paketboten, Reinigungskräfte und andere Männer und Frauen in eher schlecht bezahlten Berufen. Der Respekt, den der Staat nach Ansicht der SPD ihnen schuldet, soll sich nicht zuletzt in Euro und Cent ausdrücken. Dazu gehören ein Mindestlohn von 12 Euro, eine Respekt-Rente, die die erworbenen Rentenansprüche deutlich übersteigt, höhere Rentenzahlungen für alle und vieles andere mehr, was schon immer in der sozialdemokratischen Wundertüte seinen Platz hatte.

 

So schnöde drücken sich Scholz und Genossen freilich nicht aus. Mehr Geld für möglichst viele wird verbrämt mit der Feststellung, dass es „keine höher- oder minderwertigen Tätigkeiten“ gebe, dass alle sich „auf Augenhöhe“ begegnen, „dass niemand auf andere herabschaut“, wie Scholz das formuliert. Letzteres kann zwar kein Staat garantieren, klingt aber zweifellos gut.

 

In der Scholz‘schen Respekt-Gesellschaft geht es natürlich auch darum, niemanden zu diskriminieren – aus welchen Gründen auch immer. Respekt wird – in politisch überkorrekter Gendersprache – auch gegenüber allen „Migrant*innen“ und „Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit nichtdeutschen Wurzeln“ versprochen. Warum auch nicht?

 

Wer von allen anderen Respekt fordert, der muss sich freilich fragen lassen, ob er selbst den eigenen hehren Ansprüchen gerecht wird. Offenkundig sind auch Sozialdemokraten nicht gegen die Gefahr gefeit, mit zweierlei Maß zu messen – nach strengen Moralvorschriften für andere und weniger strengen bei sich selbst. Jedenfalls gibt es viele Felder, auf denen Scholz und die SPD es an Respekt fehlen lassen. Hier ein paar Beispiele.

 

1. Der SPD mangelt es an Respekt gegenüber konservativen Katholiken.

 

Die Scholz‘schen Wahlkampfstrategen versuchten, Armin Laschet als potenzielle Marionette von erzkonservativen Katholiken zu diskreditieren. So wird Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen, in einem SPD-Spot als einer von „erzkatholischen Laschet-Vertrauten, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist“, dargestellt.

 

2. Der SPD mangelt es an Respekt vor erfolgreichen Leistungsträgern.

 

Es gibt in Deutschland findige und erfolgreiche Menschen, die mit neuen Geschäftsideen, mit Kreativität und Erfindergeist Unternehmen gegründet und Arbeitsplätze geschaffen haben. Manchmal kommt zur überdurchschnittlichen Leistung bei Managern, Selbständigen oder Handwerkern auch noch das Glück des Tüchtigen dazu.

 

Doch diesen Leistungsträgern versagt die SPD den notwendigen Respekt. Vielmehr setzt sie auf den Faktor Neid, wenn sie die „Reichen und Superreichen“ noch stärker zur Kasse bitten will, um die angestrebte Ausweitung des Sozialstaats zu finanzieren.

 

3. Der SPD mangelt es an Respekt gegenüber Familienunternehmern.

 

Die SPD zieht mit Scholz gegen „die großen Vermögen“ zu Felde, will „die da oben“ mit einer Vermögenssteuer und einer höheren Erbschaftsteuer zusätzlich belasten. Steuereintreiber aus dem linken Lager übersehen freilich eines: Die größeren Vermögen hierzulande liegen nicht auf irgendwelchen Konten oder stecken in protzigen Villen und sündhaft teuren Yachten. Sie stecken vielmehr in den rund drei Millionen Familienunternehmen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden und die 60 Prozent aller Arbeitnehmer beschäftigen.

 

4. Der SPD mangelt es an Respekt vor privaten Vermietern.

 

Fast 60 Prozent aller vermieteten Wohnungen befinden sich im Eigentum von Privatpersonen, die nicht hauptberuflich Immobilen vermieten. Diese Privatleute haben sich häufig eine oder zwei Wohnungen gekauft, um fürs Alter vorzusorgen. Ihnen liegt sehr viel an stabilen, langjährigen Mietverhältnissen, weniger an der Ausnutzung aller Möglichkeiten zu Mieterhöhungen. Ohne diese privaten Investoren wäre die Lage auf dem Wohnungsmarkt noch angespannter, vor allem in den Großstädten. Doch die SPD tut was sie kann, alle Vermieter unter Generalverdacht des „Mietwuchers“ zu stellen.

 

5. Der SPD mangelt es an Respekt gegenüber Müttern, die der Familie den Vorrang

vor ihrer Karriere geben.

 

Nicht berufstätige Frauen werden in sozialdemokratischen Kreisen gerne als „Heimchen am Herd“ diffamiert. Das einst auf Drängen der CSU eingeführte, inzwischen im Bund wieder abgeschaffte Betreuungsgeld für Kinder, die nicht in eine Kita gehen, wurde als „Herdprämie“ verunglimpft.

 

Respekt klingt immer gut, aber …

 

Respekt gegenüber anderen zu fordern, ist an sich eine gute Einstellung. Respekt schließt auch stets Toleranz ein. Doch der Respekt-Begriff des Olaf Scholz und seiner Sozialdemokraten umfasst einseitig die sogenannten kleinen Leute, Migranten und Minderheiten, schließt zugleich große Teile der Gesellschaft aus. Verachtung für konservative Katholiken, Herabsetzung derer, die mit Können und Fleiß es zu Wohlstand gebracht haben, Unverständnis für erfolgreiche Familienunternehmer, Häme gegenüber Frauen, die der Familie zuliebe auf eine Karriere verzichten, Propagierung einer linken Identitätspolitik und „Cancel Culture“ – das alles hat mehr mit Kulturkampf zu tun als mit Respekt.

 

Unser Gastautor:

Dr. Hugo Müller-Vogg, ehemaliger F.A.Z.-Herausgeber, zählt zu den erfahrenen Beobachtern des Berliner Politikbetriebs. Als Publizist und Autor zahlreicher Bücher analysiert und kommentiert er Politik und Gesellschaft nach dem Motto: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein; was darüber ist, das ist vom Übel.“ (Matth. 5:37). www.hugo-mueller-vogg.de und www.facebook.com/mueller-vogg

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