Probelauf auf seifigem Parkett

 

Von Wolfgang Molitor

 

Irgendwie hatte man den Eindruck, als würden es alle drei ganz nett finden, demnächst die Regierungsgeschicke in Deutschland lenken zu dürfen. Wenn es die Wähler und Wählerinnen denn unbedingt so haben wollen. Der betont artig Kühle aus dem Norden, die gestikulierende Novizin und der wortreich Abwägende aus dem Rheinland. SPD, Grüne und die Union. Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Armin Laschet haben ihre Rollen ordentlich gespielt, je nach Temperament und Kompetenz. Drei nette Leute ohne größere Ecken und Kanten.

 

Es ist müßig, nach Siegern und Besiegten zu fragen. Der Blick in die sozialen Medien zeigt: Die nächsten Endspurt-Wochen gehören den Wahlkampfflüsterern und parteiischen Büchsenspannern. Die Schwarzen fanden Laschet am überzeugendsten, die Grünen Baerbock am engagiertesten und die Roten Olaf Scholz wie Olaf Scholz.

 

Dass es am Ende Umfragen gab, die den Sozialdemokraten vorn sahen, Baerbock und Laschet mit leichtem grünem Vorteil gleichauf: geschenkt. Denn noch war es ein erstes Kennenlernen. Ein Probelauf auf seifigem Parkett. Ein erster ernstzunehmender Anlauf, sich einem breiten Publikum persönlich zu präsentieren, das sich bisher größtenteils sein Kandidaten-Bild aus gefilterten Eindrücken, gesteuerten Überspitzungen und absichtsvollen Untertreibungen gemalt haben dürfte.

 

Deshalb wird man im Laschet-Lager nicht unzufrieden sein, seinen Kandidaten fürs erste auf Augenhöhe gehalten zu haben – mit positiven Ausflügen bei Schlagfertigkeit, Angriffslust und kompetenter Nachdenklichkeit. Dass Laschet auf der Sympathieleiste nicht aus dem Stand Boden würde wettmachen, war nicht zu erwarten.  Trotzdem lässt sich darauf aufbauen.

 

Was auch für Annalena Baerbock gilt. Die Grüne hat sich gut geschlagen. Hat weder verzückt noch verschreckt. Eingerahmt von zwei älteren Herren musste niemand ihr den Stempel „Neuanfang“ auf die Stirn drücken. Hier stand eine neue „Mutti“, also ganz anders als Angela Merkel, ihre Frau. Jünger, was auch bedeutet nicht nur mit politischem Gehabe, sondern auch aus ganz persönlicher Erfahrung und Verantwortung.

 

Und Olaf Scholz? Noch weit genug entfernt von all den Genossen, die Rot-Grün-Rot nicht als Neuanfang, sondern als Systemwechsel herbeisehnen.  Sein klarer Vorsprung im ersten Triell dürfte den Strategen im Willy-Brandt-Haus dennoch zu denken geben.

 

Da stand einer Rede und Antwort, der Stabilität predigt, ohne sie nach einem Wahlsieg an der Seite der sich an ihn ranmachenden Linkspartei garantieren zu können. Dessen Distanz zu großen Teilen seiner Partei erst nach einem überraschenden Triumph überdeutlich durchschlagen könnte. Verharrt Scholz in seinem distanzierten Staatsmann-Modus, hat er sein Potenzial schon ausgeschöpft. Das aber könnte nicht ganz zum ersten Platz und dem Anspruch aufs Kanzleramt reichen.

 

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