Im Tempodrom aufs Gaspedal getreten

 

Von Jost Springensguth

 

Der Name macht für die Union Sinn. Im Berliner Tempodrom haben CDU und CSU trotz aller vorheriger Zweifel, mit all ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, demonstrativ aufs Gaspedal zu treten: bei den Themen, mit allem was sie rund um den Kanzlerkandidaten aufzubieten haben und auch mit Kontrasten zu dem, was bisher vermisst wurde. Armin Laschet hat den Gang Attacke eingeschaltet.

 

Da war der Auftritt von Angela Merkel, die sich im Rennen um ihre Nachfolge bisher zurückhaltend zeigte und zum Schluss nur etwas rumpelig weiter regiert. Vor allem war da Markus Söder, der sich nun doch wohl entschlossen hat, wenigstens im Wahlkampffinale auf den „lieben Armin“ zu setzen. „Wir müssen unseren Kanzlerkandidaten unterstützen – gegen viele Angriffe.“ Wie weit er sich dabei vielleicht selbst meint, darüber lässt er die Menschen weiter rätseln. Es geht ums gemeinsame Signal zum Aufbruch – das ist zu spüren.

 

Es ist wohl klar, dass der von Meinungsumfragen getriebene Druck wohl auch auf Söder lastet. Die Zahlen, die er in Bayern bisher geliefert hat, sind weit entfernt von dem, was Jahrzehnte galt: ohne die CSU läuft nichts. Das ist anders geworden. Weder in München, wo in der Landespolitik die Geräuschlosigkeit der Koalition mit den Freien Wählern die schwachen Zahlen der CSU nach außen in Vergessenheit geraten lässt; noch bei den Bundestagswahlen, wo die bayerische Schwester liefern muss, wenn die Union wieder den Kanzler stellen will. Und im Summenspiel wird das nun einmal eng. Mehr als eng. Darin sind sich alle sicher. In der verunsicherten Union und bei den sich langsam in Sicherheit wiegenden Sozialdemokraten.

 

Aufbruchstimmung nach außen und innen als Ziel

 

Beim Spitzenkandidaten und bei dem, der es eigentlich gerne wäre, geht es in der Union inzwischen weniger ums Eingemachte mit der Unruhe in den eigenen Reihen, als ums Ganze. Das sollte bei dem bundesweit wahrzunehmenden Auftakt als Großveranstaltung sichtbar werden. Aufbruchstimmung nach außen und innen ist das Ziel. Unter Corona-Bedingungen kann so etwas allerdings nur begrenzt funktionieren. Die vierte Welle sorgt nicht nur für Zweifel, ob „die in Berlin und in den Ländern“ alles richtig machen. Die Pandemie ist auch der Grund, dass bei nur 100 ausgewählten Gästen und zugeschalteten Rednern im Tempodrom irgendwie alles steril wirken muss. So etwas kann aufgrund der äußeren Bedingungen nun einmal nicht so kraftvoll wirken, wie ein gewohntes Kampagnensignal aus einer prallvollen Großarena.

 

Laschet versucht, sich auf Wahlkampftemperatur zu bringen

 

Für die Union kommt es damit jetzt mehr denn je auf den Spitzenkandidaten an. Er muss mit den richtigen Themen die Felder so besetzen, dass die Wählerinnen und Wähler wieder mehr Vertrauen gewinnen und letztlich überzeugt werden. Laschet hat das offensichtlich erkannt und ist im Tempodrom anders aufgetreten als bisher. Die Zurückhaltung in Themen und klaren Konturen will er aufgeben. Dass er die Fähigkeit hat, letztlich doch für einen Wahlerfolg zu sorgen, konnte er in Nordrhein-Westfalen beweisen. In seiner Rede versucht sich Laschet, auf Wahlkampftemperatur zu bringen. Er zeigt mehr Schärfe und Klarheit als in den Wochen bisher, ohne seinen Herausforderer Scholz persönlich zu attackieren.

 

Vielleicht ist es letztlich doch geschickt, mit Blick auf links-links-grüne Koalitionsverführungen die Sozialdemokraten demonstrativ in die Pflicht zu nehmen. Wenn es die Partei ohne sichtbarer Wahlkampf-Präsenz ihrer Vorsitzenden Eskens und Borjans ernst damit meint, so staatstragend zu wirken wie ihr Kanzlerkandidat, dann hätten sie ihn vorher vielleicht doch besser zum Vorsitzenden küren sollen. So bleibt die SPD aber bei aller demoskopisch genährten Euphorie in einer Glaubwürdigkeitsfalle.  

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