Näher dran und vielfach besser

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

„Köln innovativ – Bürger*innen-Metropole in R(h)einkultur“. Holprig kommt der Slogan daher, unter dem in Köln Rat und Verwaltung aktuell an einer Zukunftsvision arbeiten. Die Stadtverwaltung soll künftig „bürgerorientiert, digital und zukunftsfähig“ agieren, heißt es in lokalen Medien. Gut so, denn die bürokratische Gegenwart in der großen Stadt mit 1,08 Millionen Einwohnern macht manchem Kölner sicherlich keinen Spaß. 

 

Simples Beispiel: Der Personalausweis ist abgelaufen, ein neues Dokument muss her. Der nächste freie Termin für diese alltägliche Verwaltungsleistung in einem Kundenzentrum der Stadt – so ergab unsere Stichprobe am 9. August – ist frühestens ab dem 6. Oktober zu bekommen. Zwei Monate Wartezeit. Schlimmer als beim Facharzt.

 

Nebenan in der Kreisstadt Bergisch-Gladbach (111.000 Einwohner) wird digital immerhin der 23. August angeboten. Aber im noch kleineren Nachbarort Leichlingen (27.000 Einwohner) darf der Bürger sogar am Tag der Anfrage in seinem Rathaus vorbeischauen – nachmittags, wenn´s geht. Der Leichlinger hat den neuen „Perso“ dann nach gut vier Wochen in der Hand. Da wartet der Kölner noch auf seinen Antragstermin …

 

Keine Terminbuchung in Berlin

 

Das Beispiel aus Nordrhein-Westfalen beschreibt keinen Einzelfall. Ein Münchener muss sich aktuell sogar deutlich länger gedulden als der Kölner, wenn er einen Ausweis beantragen will. Ihm wird ernsthaft ein Termin im Bürgerbüro am 3. November um 8.30 Uhr offeriert. Und in Berlin funktioniert noch nicht einmal diese langfristige Terminbuchung: Dort ist bis Mitte Oktober jeder Termin in allen Bürgerämtern vergeben oder noch kein Buchungstag für wann auch immer im Portal freigeschaltet. Wozu braucht man in der Hauptstadt auch einen Ausweis …

 

Die Gründe für die Bürgerferne der Großstädte bei einer normalen Dienstleistung werden unterschiedlichster Natur sein. Doch irgendetwas stimmt nicht. Kölns Stadtverwaltung hat über 17.000 Beschäftigte, im Leichlinger Rathaus arbeiten 200 Beamte und Angestellte. Köln müsste beim Service also zigmal fixer sein.

 

Verwaltungsexperte Thorsten Bullerdiek, Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, hat kürzlich im Medienportal der Zeitschrift „Kommunal“ des Deutschen Städte- und Gemeindebundes beklagt, dass es den Großstädten selten gelinge, einen schnellen, kompletten und bürgernahen Service anzubieten. Viele kleine und mittlere Städte und Gemeinden seien besser. 

 

Effektivität nicht belohnt

 

Belohnt würde deren Effektivität, bessere Bürgernähe und Leistung aber nicht. Im Finanzausgleich würden die Großen mit üppigen Zuschlägen ausgestattet, die kleinen Kommunen müssten sehen, wie sie klarkommen, kritisiert Bullerdiek, der zahlreiche Fachbücher zum Kommunalwesen verfasst hat. 

 

Kleinere Einheiten stellen aus seiner Erfahrung die bessere Lösung dar. Er plädiert sogar dafür, eine größere Stadt einmal versuchsweise in zwei oder drei überschaubare Gebiete mit „wirklicher Selbstverwaltung“ einzuteilen oder aber eine kleine und eine mittlere Stadt mit „Großstadtrechten“ auszustatten. Nach ein paar Jahren sollte man die Bürger fragen, wie bürgerfreundlich sie ihren Ort erleben.

      

Eine wirkliche Vision, über die das so innovative Köln und die anderen Großen durchaus einmal nachdenken sollten. Bürgerorientiert kann doch nur bedeuten, dass es bei einfachen Dienstleistungen, die bisher trotz großer Versprechen im allumfassenden Onlinezugangsgesetz nicht digitalisiert angeboten werden, bessere Lösungen geben muss als Wartezeit und Warteschlange. Kleine Städte machen es vor.

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