Auf dem falschen Gleis

 

Von Wolfgang Molitor

 

Wieder einmal sind die Reisenden die Dummen. Der erste große Streikschritt der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) in diesem Jahr trifft einen Großteil der Fernverbindungen und Zigtausende von Urlaubern und Pendlern, die auf eine (halbwegs) pünktliche und zuverlässige Fahrt nach Hause oder zum Arbeitsplatz angewiesen sind. Notpläne bleiben eben Notpläne und können nicht mehr sein, als den Frust der Fahrgäste in wenigen Fällen zu dämpfen. Das macht jeden Bahn-Streik ein Stück weit über das ärgerliche Maß hinaus schmutzig und maßlos.

 

Die GDL spielt die Rolle als Bahn-Buhmann so gekonnt wie aggressiv. Denn sie kämpft nicht nur für ihre Mitglieder, sondern vor allem für sich selbst. Ihre Hauptstoßrichtung zielt gegen die Konkurrenz der größeren, von der Deutschen Bahn als Tarifpartner favorisierten und kompromissbereiteren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) - die hatte 2020 einem Sanierungstarifvertrag zugestimmt und orientiert sich auch jetzt an dem "Notlagentarifvertrag“ der Flughäfen, der mit einer Vertragslaufzeit von 40 Monaten eine Erhöhung von 3,2 Prozent auf einen längeren Zeitraum und spätere Stufenzeitpunkte vorsieht.

 

GDL will 3,2 Prozent sofort

 

Das macht die GDL nicht mit. Sie will 3,2 Prozent sofort und dazu 600 Euro Corona-Prämie. Damit kommt sie bei den Bahn-Beschäftigten gut an. Die GDL mag nach eigenen Angaben 80 Prozent der Lokführer und 40 Prozent der Zugbegleiter vertreten. Sie bemüht sich aber seit längerem nicht ohne zählbaren Erfolg, auch bei den Fahrdienstleistern, an Bahnhöfen und in Werkstätten der Bahn um eine größere Basis. Dass diese Kampagne - angestachelt durch das von SPD und Union durchgesetzte Tarifeinheitsgesetz, wonach in jedem Betrieb nur noch der Tarifvertrag jener Gewerkschaft gelten soll, die dort mehr Mitglieder hat - auf dem Rücken vieler Bahn-Kunden ausgetragen wird, schert die GDL wenig und gibt ihr im Kampf um mehr Geld wieder einmal ein hässliches Gesicht.

 

Dabei liegt der Schwarze Peter nicht nur bei den Lokführern. Der Staatskonzern mag wie viele Unternehmen von der Coronakrise hart getroffen sein. Doch das ist es nicht allein. Schon seit langem steht der weltweit 330.000 Mitarbeiter große Bahn-Riese auf tönernen Füßen. An den mehr als 30 Milliarden Euro Schulden und Milliardenverlusten ist nicht Corona schuld. Dass jetzt gerade jene, die auch in den Pandemiezeiten den Betrieb sichern, für falsche Strategien ihren Kopf hinhalten sollen, sorgt unter ihnen zurecht für Ärger.

 

Zuviel Geschirr zerschlagen

 

In den vergangenen Jahren ist zuviel Geschirr zwischen GDL und Konzernleitung zerschlagen worden, als dass mit einer schnellen Einigung zu rechnen ist. So starr die Bahn-Spitze agiert, so rücksichtslos spielt die GDL ihre Bahnkarte. Da fahren zwei Loks aufeinander zu. Wer zuerst die Notbremse zieht, ist ungewiss. Die Kunden spielen in diesem Machtkampf nur eine nachgeordnete Runde. Noch ist das Konzernziel in Beton gegossen, wonach die GDL nicht mehr herausholen darf als die EVG, die in allen Aufsichtsräten mit am Tisch sitzt.

 

Dass sich vor allem die Bahn wird bewegen müssen, scheint in dieser Lage sinnhaft. Schließlich hat die GDL bereits mit den größten DB-Mitbewerbern Tarifverträge abgeschlossen, die wie gefordert eine Coronaprämie und eine Lohnerhöhung noch in diesem Jahr beinhaltet. Dabei steckt auch die DB-Konkurrenz in der Pandemiekrise. Ihnen ist der Betriebsfrieden aber offensichtlich wichtiger als dem Staatskonzern. Und die Zufriedenheit ihrer Kunden wohl auch.    

 

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