Mogelpackungen fürs Klima

 

Von Michael Lehner

 

Der Weltklimarat verschärft seine Warnungen. Aber zutreffende Diagnosen helfen nicht, solange wenig wirksame Rezepte die Debatte um die Klimarettung bestimmen. Geboten ist die Einsicht, dass Abhilfe konkrete Opfer erfordert. An Komfort, an Geschwindigkeit und beim liebgewonnenen Irrtum, dass die Wende kaum was kostet.

 

So wie´s jetzt läuft, werden wir die Welt nicht retten. Beispiel Elektroauto: Die Fahrzeuge sind so schwer, dass sie zwangsläufig viel mehr Energie verbrauchen als Diesel und Benziner. Wer das nicht wichtig findet, der/die glaubt auch, dass der Strom aus der Steckdose kommt. Und nicht aus Kohle, Gas, Erdöl und den sogenannten regenerativen Quellen. Oder eben aus Kernkraftwerken, die gerade

Umweltbewussten besondere Angst machen.

 

Oder die „Energetische Gebäudesanierung“. Nicht nur ein Wort-Monster, sondern auch verbunden mit jeder Menge Energieverbrauch und Chemieeinsatz bei der Dämmstoffproduktion. Und mit reichlich Problemabfall am Ende der Gebäudelebenszeit. Wobei letztere immer kürzer wird – nicht zuletzt, weil die Ansprüche ans komfortable Dasein schneller wachsen als die Sorgen um die Umwelt. Weil Nachhaltigkeit noch immer mehr beredet als gelebt wird.

 

Gut 160 Pferdestärken hat der deutsche Neuwagen im Durchschnitt. Der pro Kopf beanspruchte Wohnraum wird immer größer. Die Ernährungsgewohnheiten bedingen immer längere Transportwege, auch und gerade im veganen Sektor. „Alternative“ Energien beschleunigen den Flächenverbrauch, ob für Sonnenkollektoren oder Energiepflanzenanbau.

 

Noch sind Menschen am Leben, die es gewohnt waren, die „Gute Stube“ nur an Festtagen zu heizen oder die Milch in der Kanne zu kaufen. Die als Kinder eine halbe Stunde Fußweg zur Schule ganz normal fanden. Die erlebten, dass die Eltern gleich nebenan zur Arbeit gingen und für weitere Wege noch einen Bahnhof um die Ecke hatten, sogar in Hintertupfing. Die Bauern konnten ihr Vieh noch von den eigenen Wiesen und Feldern ernähren. Es war eine bescheidene Welt. Aber sie war auch ziemlich ökologisch.

 

Sogar den „Sauren Regen“ haben sie vor einem halben Jahrhundert in den Griff bekommen. Nicht mit Schulstreik, sondern mit Technik. Flugreisen waren noch viel teurer als die Eisenbahn, Autos eine Anschaffung fürs halbe Leben und Lebensmittel kein Wegwerfartikel. Das „Mehrgenerationenhaus“ war ganz alltäglich. Die Menschen haben mehr gelacht, auch in wirklich schlechten Zeiten.

 

So vielfältig der Reiz der Nostalgie sein mag, Antworten für die Neuzeit hält sie nur begrenzt bereit. Aber Denkanstöße: Ist grenzenlose Mobilität wirklich alternativlos? Macht es Sinn, hoffnungslos überlastete und überteuerte Ballungsräume mit immer teureren Rettungsversuchen durchzupäppeln? Was hindert uns im Internet-Zeitalter, möglichst viel Arbeit dorthin zu bringen, wo Menschen gern und günstig leben?  Warum den umweltbewegten Jungen nicht vermitteln, dass ihre (Groß)eltern mit den 16 Pferdestärken einer „Ente“ reichlich Spaß hatten?

 

Ohne Innehalten verkommt der Klima-Hype zur stinknormalen (auch poltischen) Geschäftsidee. Verbunden mit noch mehr Verbrauch von Ressourcen und auch Energie. Garniert mit fragwürdigen Symbol-Aktionen wie der Atlantik-Querung mit dem Hightech-Segelboot, wohl teurer als im Überschall-Flugzeug. Was beides die Frage verschleiert, wer wirklich wie oft über den Atlantik muss? Und noch mehr die, was uns wirklich fehlt zum Glück?

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