Lösungsdruck im Konflikt zwischen Agrar- und Umweltpolitik

 

Interview mit Jochen Borchert Teil 2

 

Übereinstimmende politische und demoskopische Einschätzungen lassen nach der Bundestagswahl einen wachsenden Einfluss sogenannter grüner Politik erwarten. Das bezieht sich nicht nur auf die Partei Bündnis 90/Die Grünen, sondern auch auf inhaltliche Positionen der anderen Parteien. Wie wirken sich diese Tendenzen auf die künftige Bundespolitik aus? Diese Fragen stellten Wolfgang Kleideiter und Jost Springensguth dem Agrarpolitiker Jochen Borchert (CDU).

 

Als Landwirtschaftsminister im Kabinett Kohl ist er heute noch als Vorsitzender der nach ihm benannten Kommission gefragt, wenn es um die Zukunftsthemen der Tierhaltung bei anderen Standards unter dem Stichwort Tierwohl geht. Er äußert im zweiten Teil unseres Interviews mit ihm dazu Einschätzungen und Erwartungen. Es geht um Auswirkungen auf Landwirte in der Nutztierhaltung, die Folgen für die Produzenten in der Weiterverarbeitung, den Handel und besonders die Verbraucher.

 

Hier der Wortlaut:

 

Muss man sich mit den grünen Tendenzen in der Politik für den ländlichen Raum inzwischen mehr arrangieren?

 

Borchert: Wir müssen uns mehr mit ihnen auseinandersetzen, denn vieles deutet darauf hin, dass es nach der Bundestagswahl eine schwarz-grüne Bundesregierung geben wird. Der Einfluss der Grünen auf die Agrarpolitik wird größer. Es gibt Felder, auf denen dies zu Konflikten führen wird, aber auch Felder, auf denen die Übereinstimmung groß ist.

 

Was halten Sie von Bestrebungen, auf Bundesebene das Landwirtschafts- und das Umweltministerium zusammenzulegen?

 

Borchert: In Nordrhein-Westfalen, wo Ministerin Ursula Heinen-Esser für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz zuständig ist, sind die gemachten Erfahrungen sehr gut. Ich glaube aber nicht, dass es auch auf Bundesebene zu einer Zusammenlegung der beiden Bereiche kommen wird. Es gibt Widerstand dagegen und die Konfliktfelder sind größer. Man muss aber die Koalitionsverhandlungen abwarten. Ungeachtet dessen brauchen wir dringend Lösungen für die Konflikte zwischen Umwelt- und Agrarpolitik, wenn wir die weitere Entwicklung der Landwirtschaft in Angriff nehmen wollen.

 

Apropos Lösungen: Die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, in dem Sie den Vorsitz haben, liegen seit über einem Jahr vor. Auf welchem Weg ist dieses Bemühen um eine tier- und umweltgerechte und trotzdem wettbewerbsfähige Nutztierhaltung?

 

Borchert: Wir haben im Februar 2020 das Papier vorgelegt. Die anschließend vom Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Folgenabschätzung und die Machbarkeitsstudie zeigen, dass die Empfehlungen umsetzbar sind. Ich hätte mir politische Entscheidungen im Parlament noch vor der Bundestagswahl gewünscht, aber wir sind trotzdem weit gekommen. Nach der Wahl wird das Thema sicherlich nicht wieder zu den Akten gelegt. Es steht in den Wahlkampfprogrammen der großen Parteien - und im Programm der CDU sehr deutlich mit Verweis auf die Borchert-Kommission. Angeheizt worden ist das Thema zusätzlich durch die Ankündigung von Aldi, bei Frischfleisch demnächst nur noch Angebote aus den Tierwohl-Ställen (Stufe 3 und 4) zu berücksichtigen. Entscheidend wird die Frage der Finanzierung der Umstellung sein. Die Folgenabschätzung und auch die Machbarkeitsstudie haben bestätigt, dass unsere Vorschläge – Verbrauchssteuer oder Mehrwertsteuer - umsetzbar sind. Ohne eine staatliche Finanzierung werden Landwirte in einer kaum zu überschauenden Marktentwicklung aber die erforderlichen Investitionen nicht vornehmen und auch die höheren Produktionskosten nicht tragen können.

 

Aldi spricht von vier Stufen, die Kommission von drei (Stall plus, verbesserter Stall, Premium). Das irritiert nicht nur den Verbraucher.

 

Borchert: Wir brauchen dringend ein einheitliches Label, eine klare Kennzeichnung. Die Vielzahl der verschiedenen Haltungsstufen mit unterschiedlichen Festlegungen ist problematisch. Wenn die Bundesregierung in die Finanzierung der Umstellung einsteigt, wird es aber hier eine Klärung geben. Aber bis dahin sind noch einige Diskussionen erforderlich. Die Initiative Tierwohl und auch QS, die sehr nah bei den Landwirten sind und auch über die Kontrollstrukturen verfügen, könnten bei der Umstellung aus meiner Sicht eine wichtige Rolle spielen. Ich halte eine Partnerschaft von staatlicher Finanzierung und administrativer Unterstützung durch die Initiative für möglich.

 

Wird Fleisch teurer?

 

Borchert: Die Mehrkosten bei den Stufen 2 und 3 unserer Empfehlung belaufen sich auf 30 bis 35 Prozent. In den einzelnen Tierarten ist dies aber unterschiedlich. Bei der Schweinemast zum Beispiel entfallen 20 Prozent der Mehrkosten auf die Investitionen im Stall und 80 Prozent auf die erhöhten Produktionskosten. Deshalb bekommt man die Umstellung der Nutztierhaltung auch nicht durch einen einfachen Investitionszuschuss finanziert. Der Landwirt braucht eine Sicherheit dafür, dass er die Mehrkosten in der Produktionsperiode während der Abschreibungszeit auch wirklich finanzieren kann.

 

Wie wirkt sich die nun doch auch bei uns ausbreitenden ASP aus und wird genug dagegen getan?

 

Ich sehe schon, dass wir sehr engagiert bei uns dagegen vorgehen und Erfolg haben können. Die Behörden sind sehr wachsam in der Prävention und werden sofort dort aktiv, wo in unseren Bundesländern Fälle auftauchen. Das gilt auch für das konsequente Vorgehen, bei den ersten Infektionen in Hausschweinebeständen. Das sind die bereits vorher von ASP beim Wildschwein betroffenen Regionen in Brandenburg, im Landkreis Spree-Neiße sowie in Märkisch-Oderland. Wir kriegen ASP generell nur in den Griff, wenn die Jäger gleichzeitig weiter bei ihrem vollen Einsatz bei der Reduzierung der Schwarzwildbestände bleiben.

Dass wir eine Chance zum Erfolg in der ASP-Bekämpfung haben, zeigt die Entwicklung in Tschechien. Dort wird wirksam vorgegangen, die Bestände werden weiträumig scharf bejagt. Für die Fundräume werden die Zugangs- sowie Jagdverbote mit hermetischen Abriegelungen konsequent umgesetzt. Elektrische Zäune um die groß definierten Fundflächen und chemische Bodenbehandlung zeigen Wirkung. So kann ASP eingegrenzt und eine Region vielleicht sogar davon befreit werden. Auch der enge Austausch unserer Behörden mit den Nachbarländern hilft.

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