Bayern und die Sintflut als Dauerthema

 

Von Michael Lehner

 

Nicht überall im Freistaat gehen die Menschen mit den Fluten so gelassen um wie in der Dreiflüsse-Stadt Passau. Dort haben sie sich damit eingerichtet, wenn es nicht gerade ein echtes Jahrhunderthochwasser ist. Anderswo ist die Gefahr zwar auch nicht ganz neu, aber die Bereitschaft ist (noch) nicht so groß, mit dem Risiko zu leben.

 

Beispielhaft ist der Streit um riesige Flutpolder entlang der Donau. Sie sollen Städte am Unterlauf schützen, Straubing und Deggendorf vor allem dort, wo in den letzten Jahren Überschwemmungen besonders wüteten – vor allem in neueren Baugebieten. Sollten deswegen Natur und gutes Bauernland zwischen bis zu zehn Meter hohen Polder-Dämmen fluten in Größenordnungen des Tegernsees geflutet werden? Das ist die Frage, die sogar die Regierungsfraktion der Freien Wähler spaltet.

 

Die aktuelle Klima-Debatte spitzt den Konflikt zu. Denn die Risiken werden nicht geringer, die Rufe nach noch mehr technischem Hochwasserschutz wohl immer lauter. Wo das enden soll, fragt nicht nur der Bund Naturschutz. Von dort kommt die These, dass Hochwasserschutz an den Zuflüssen der großen Ströme beginnen muss. Dass auch kleine Bäche wieder Platz bekommen müssen für Überschwemmungen, die dann kein Unheil anrichten.

 

So steht es auch im Bayerischen Wassergesetz, Artikel 44: „1. Erhalt oder Wiederherstellung der Versickerungsfähigkeit der Böden, 2. Dezentrale Versickerung von Niederschlagswasser, 3. Maßnahmen zur natürlichen Wasserrückhaltung und zur Wasserspeicherung.“

 

Protestflut schon an den Oberläufen der Fließgewässer

 

Bald drei Jahrzehnte ist es her, dass der damalige Umweltminister Werner Schnappauf versuchte, mit dem Gesetz ernst zu machen. Er wollte Bauverbotszonen ausweisen, nicht nur an Hochwasser-Hotspots, sondern auch an den Oberläufen der Fließgewässer. Die Protest-Flut war schlimmer als mancher Starkregen.

 

Nun kommt Druck aus der (Versicherungs)wirtschaft: Die Assecuranzen wollen ihre Flut-Kataster nachschärfen. Sprich: die Gebiete erweitern, in denen sich Gebäude gar nicht oder nur sehr teuer gegen Elementarschäden versichern lassen. Wer hohe Prämien scheut, muss in Bayern schon heute damit rechnen, dass dann staatliche Hochwasser-Hilfen drastisch gekürzt werden.

 

Womit wir wieder in Passau wären: Auch dort wird unterstützen der umstrittenen Polder-Bau entlang der Donau unterstützt. Denn in der Praxis sei die Stadt das Überlaufbecken für all die Gemeinden, die donauaufwärts seit Menschengedenken alles tun, um das Wasser abzuleiten. „Wir haben unsere Landschaft systematisch so umgebaut, dass sie das Wasser nicht mehr halten kann,“ heißt es beim Bund Naturschutz. Und das gilt wohl nicht nur in Bayern.

 

Zumal die Lage auch dort tückisch geworden ist, wo über Generationen keine Gefahr zu drohen schien. Zum Beispiel an der Bobbahn am bayerischen Königssee. Ihre Trümmer haben das Zeug zum Symbol für das Ausmaß der Bedrohung, die Klima-Debatten nicht stoppen werden. Wenn Menschen jetzt schon das Wasser bis zum Hals steht.

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