Die Flut und die Fensterreden

 

Von Michael Lehner

 

Mit den Überschwemmungskatastrophen ist der Klimawandel plötzlich schlimme Realität. Und die Leute merken, dass ihnen Abgas-Debatten und Fensterreden nicht schnell genug aufhalten werden. Was nun zählt, sind Nachbarschaftshilfe, Zusammenhalt und Respekt vor der Natur.

 

Politik-Auguren meinen schon, dass die Fluten den Grünen das Wahlvolk nun in Scharen zutreiben. Wahrscheinlicher ist, dass die Menschen andere Prioritäten haben, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht und ihre Häuser wegbrechen.

Was zwischen den Unglücksbildern ein wenig Hoffnung macht, sind eher altmodische Werte: Menschen, die für Mitmenschen ihr Leben riskieren oder wenigstens alles stehen und liegen lassen, um anderswo beim Aufräumen zu helfen. Zumal in Dörfern und Kleinstädten bringt die Flut jene gelebte Solidarität zu Tage, mit der die Menschheit schon weit Schlimmeres überstanden hat.

 

Respekt vor der Natur

 

Wahr ist auch, dass allmählich selbst Betonköpfe den Klimawandel zugeben. Er ist ja nicht mehr zu leugnen. Aber ebenso klar wird, dass akutes Handeln mindestens ebenso wichtig ist wie in weite Ferne gerichtete Ausstiegspläne. Ingenieurwissen ist gefragt und die Bereitschaft, Geld für die Sanierung maroder Dämme in die Hand zu nehmen.

 

Und noch wichtiger ist Respekt vor der Natur: Die Debatte um die Bebauung durch Hochwasser und Erdrutsch gefährdeter Gebiete ist leise geworden in den letzten Jahren. Die Einsicht wächst, dass Bäche und Flüsse Platz brauchen. Dass Auwälder nicht nur wertvolle Biotope sind, sondern auch natürlicher Schutz gegen verheerende Unwetter-Folgen.

 

Es ist nicht die Stunde der Fundamentalisten, wenn Menschen auf die Dächer flüchten. Ihnen helfen weder Fahrverbote noch Wärmedämmung, wenn sie vor den Trümmern ihrer Existenz stehen. Und sogar miterleben, wie ihre Not zum Wahlkampfthema wird. Obwohl die Situation eher Demut und Mitgefühl fordert als die wohlfeile Ansage, es besser gewusst zu haben.

 

Sprechblasen halten kein Hochwasser auf und auch nicht den Klimawandel. Wirksamer ist das Handeln, wo es offenkundig dringend nötig ist. Nicht nur beim Hochwasserschutz, sondern auch beim Respekt vor der Natur. Sie braucht Platz und wird offenbar nicht abwarten, was aus den Pariser Klimazielen wird.

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