Nichtstun kann teuer werden

 

Von Jürgen Wermser

 

Es ist eine leidige, schier endlose Geschichte - der Streit zwischen Brüssel und Berlin um die Nitrat-Richtlinie der Europäischen Union. Und er kann für Deutschland sehr teuer werden, wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird. Denn die EU-Kommission droht mittlerweile mit einer erneuten Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Sie könnte zu einem täglichen Zwangsgeld von 850.000 Euro führen. Kein Wunder, dass Bund und Länder alarmiert sind und Bauern um ihre Erträge fürchten, weil sich der Staat womöglich zu wenig durchdachten Verschärfungen der Düngeregelungen veranlasst sehen könnte.

 

Klar ist in jedem Fall: Weiterhin den Kopf einziehen und hoffen, dass das politische Unwetter aus Brüssel schon irgendwie vorbeiziehen werde, ist keine Lösung. Im Gegenteil, das bittere Ende vor dem EuGH wäre voraussehbar, und zudem würde ein Zustand in Deutschland verlängert, mit dem niemand wirklich zufrieden ist: Der Staat sorgt sich um seine Finanzen, Bauern klagen über zu starke Einschränkungen und zu viel Bürokratie, Verbraucher und Wasserwirtschaft fürchten um die Qualität des Trinkwassers wegen zu hoher Nitratbelastungen.

 

Zeit für Neuanfang

 

Die politischen Fronten sind verhärtet. Und genau dies ist der Kern des Problems. Es wird höchste Zeit für einen Neuanfang und für die gemeinsame Suche nach einem praxisgerechten, zukunftssicheren Ausweg. Denn gegenseitige Schuldzuweisungen führen nicht weiter. Nötig ist ein ökologisch und ökonomisch ausgewogenes Gesamtkonzept zum Schutz des Grundwassers, mit dem alle Seiten gut leben könnten.

 

Die Borchert-Kommission zur Nutztierhaltung und die Strohschneider-Kommission zur Zukunft der Landwirtschaft haben gerade vorgemacht, wie solche Gespräche erfolgreich zu führen sind. Die jeweiligen Ergebnisse der beiden Kommissionen könnten zu tiefgreifenden Veränderungen im Agrarbereich führen, die auch den langfristigen Interessen der Landwirte gerecht werden. Das Dauer-Streitthema Nitratbelastung sollte auf gleiche Weise angegangen werden.

 

Wildpflanzen statt Mais

 

Interessante Ansätze für kooperative und praxisgerechte Lösungen gibt es bereits. Daran kann angeknüpft werden. So fördert Niedersachsen durch eine gerade in Kraft getretene Richtlinie den Wildpflanzenanbau mit 500 Euro pro Hektar. Die mehrjährigen Bestände lassen sich ernten und zur Energiegewinnung in Biogas-Anlagen als Alternative zu konventionellen Energiepflanzen wie Mais verwenden. Die zu erwartenden Erträge sollen zwar rund 30 Prozent niedriger als beim Mais sein. Auch ist der Preis für Saatgut höher.

 

Doch ersten Erfahrungen von Landwirten etwa im Heidekreis sind positiv. Der Arbeitsaufwand ist durch die dreijährige Nutzung geringer, kein teurer Pflanzenschutz mehr sowie nur noch eine Andüngung im Frühjahr. Nitrataustrag ins Grundwasser wird vermieden. Hinzu kommt die finanzielle Förderung durch das Land, so dass sich die Umstellung für den einzelnen Landwirt rechnen kann.

 

Dies ist gewiss kein Patentrezept, das sich überall so ohne weiteres umsetzen lässt. Dafür sind die Bedingungen und Bedürfnisse der jeweiligen Betriebe in Deutschland zu unterschiedlich. Aber zumindest zeigt das Beispiel, dass funktionierende Lösungen sinnvollerweise mit und nicht gegen die betroffenen Landwirte gefunden werden sollten…

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