Eine Finanzspritze – und kein Kliniksterben

 

Von Christian Urlage

 

Vor zwei Jahren sorgte ein radikaler Vorschlag für Aufsehen: Von knapp 1400 Krankenhäusern in Deutschland sollten nur 600 größere und bessere Kliniken auf Dauer erhalten bleiben - das forderten Autoren des Berliner Instituts für Gesundheit und Sozialforschung (IGES) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Viele Komplikationen und Todesfälle ließen sich vermeiden, wenn Ärzte, Pflegepersonal und Geräte auf wenige Häuser konzentriert würden, argumentierten die Experten der Studie.

 

Glücklicherweise ist es nicht so gekommen, im Gegenteil: Die Fachleute ernteten einen Shitstorm auf Facebook und Twitter, und fast alle Politiker lehnten eine flächendeckende Klinik-Schließung bis 2030 ab. Allein in der FDP fanden sich Befürworter. Gesundheitsminister Jens Spahn zählte zu den Gegnern eines Kahlschlags und betonte im Juli 2019: „Ein Krankenhaus vor Ort ist für viele Bürger ein Stück Heimat. Es gibt ihnen Geborgenheit und Sicherheit.“ Aussagen, denen wohl viele Menschen zustimmen.

 

Pauschalförderung für 141 Kliniken im ländlichen Raum

 

Es besteht sogar ein gesetzlicher Auftrag, die Kliniken im ländlichen Raum zu unterstützen.

141 Häuser erhalten im kommenden Jahr daher jeweils eine pauschale Förderung zwischen 400.000 und 800.000 Euro; darauf haben sich kürzlich die Krankenkassen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft verständigt.

 

Dieser Pauschalzuschlag mit einer Gesamtsumme von rund 70 Millionen Euro neben der normalen Krankenhausfinanzierung soll die stationäre Versorgung in dünn besiedelten Regionen sicherstellen. Denn Notfälle wie Herzinfarkte und Schlaganfälle müssen schnell und fachgerecht behandelt werden, was nur gelingt, wenn Patienten zügig ein Krankenhaus in ihrer Nähe erreichen können. Wie sinnvoll und notwendig ein dichtes Netz von Kliniken ist, hat im vergangenen Jahr auch der Umgang mit der Corona-Pandemie belegt.

 

„Erst kommt der Patient, dann der Profit“

 

Deshalb warnt Klaus Reinhardt als Präsident der Bundesärztekammer immer wieder vor einer Klinikreform aus kommerziellen Motiven: „Erst kommt der Patient, dann der Profit. Das muss sich endlich in das kollektive Gedächtnis einbrennen“, forderte Reinhardt im Mai beim (diesmal digitalen) Deutschen Ärztetag: „Wir sehen Kliniken und Praxen als Einrichtung der Daseinsvorsorge und nicht als Industriebetriebe oder lukrative Renditeobjekte finanzstarker Fremdinvestoren.“

 

Kritik an „blutiger Entlassung“

 

Zwar bezweifelt niemand, dass wirtschaftliche Gesichtspunkte für die Krankenhäuser ebenfalls wichtig sind. Aber das System der Fallpauschalen führt zu immer kürzeren Liegezeiten; Kritiker sprechen von „blutiger Entlassung“. Das kann keine patientengerechte Lösung sein.

 

Doch das Problem hat auch mit dem Finanzierungsmodell der Kliniken zu tun: Laufende Ausgaben, zum Beispiel die Kosten für medizinische Leistungen, tragen die gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen – die Investitionskosten dagegen schultern die Bundesländer. Sie entscheiden, wo ein Krankenhaus gebaut, erweitert oder geschlossen wird. Allerdings ertönt seit Jahren die Klage, dass die Länder ihren finanziellen Verpflichtungen nicht ausreichend nachkommen. Um Abhilfe zu schaffen, ist daher auch der Bund gefragt.

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