Die Personaldecke wird dünn

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Rund 23.000 Mitglieder haben die Grünen in NRW – in keinem Bundesland sind es mehr. Tendenz steigend. Mögliche Regierungsbeteiligung in Berlin und Baerbock-Boom wirken auch an Rhein und Ruhr zurzeit noch wie ein Turbo: Über 600 Personen haben sich binnen weniger Wochen in NRW der Öko-Partei neu angeschlossen. Doch bringt diese Verstärkung neben Masse auch die erforderliche Klasse? Kommunalparlamente, Landtag, Bundestag – unterm Strich geht es um zigtausend Mandate und komplexe Themen, die auf allen Ebenen warten. Die Partei muss liefern. Doch kann sie das?

 

Zunehmende Personalknappheit

 

Dass der eher links aufgestellte NRW-Landeschef Felix Banaszak im Herbst als Abgeordneter nach Berlin wechseln wird, steht beispielhaft für eine zunehmende Personalknappheit. Denn Banaszak soll nach der Bundestagswahl weiter gleichberechtigt mit Landeschefin Mona Neubaur die Partei führen. Dabei hatten die Grünen einst strikt die Trennung von Amt und Mandat postuliert. Neubaur, die mal verschwurbelt im Netz über eine von Männern dominierte Verkehrspolitik klagt, dann kompromisslos den Kohleausstieg bis 2030 fordert, werden wiederum Ambitionen nachgesagt, im Mai 2022 als grüne Spitzenkandidatin bei der NRW-Landtagswahl anzutreten. Reiseziel Staatskanzlei.

 

An Konkurrenz im eigenen Haus fehlt es in diesem Fall allerdings nicht. Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, wäre aus Sicht vieler ebenso als Spitzenkandidatin geeignet. Die telegene Polizeibeamtin aus Gelsenkirchen hat unter anderem als Obfrau in Untersuchungsausschüssen von NSU bis Breitscheidplatz vielfach politisches Können bewiesen. Neben Mihalic und Neubaur wird hinter den Kulissen auch die 33-jährige Verena Schäffer, die aktuell mit Josefine Paul die NRW-Landtagsfraktion führt, für die Top-Position gehandelt.

 

Vollmundige Ankündigung

 

Viel Zeit bleibt den Grünen nicht, personelle und inhaltliche Weichen für einen vollmundig angekündigten Wandel in NRW zu stellen. Die Erwartungen sind angesichts der Prognosen, dass man auch in Düsseldorf in den Regierungsbetrieb zurückkehren wird, groß. 

 

Im Dezember muss spätestens das Wahlprogramm stehen. Um in diesem Papier möglichst viele Strömungen im Land aufzunehmen, hatten die NRW-Grünen im Netz über Monate eine Beteiligungsplattform installiert – eine Ideen-Fundgrube. Allerdings mit zuweilen im Grünen-Lager unerwünschten Anregungen. So dürften es zum Beispiel die dort gemachten Vorschläge, die Atomkraft als Brücken- oder gar dauerhafte Technologie zur Stromversorgung zu nutzen, wohl kaum ins grüne Wahlprogramm schaffen. Masse garantiert eben nicht automatisch Klasse.

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